Samstag, 18. August 2012

BANALES AUS DER THRILLER-KISTE: DER KNOCHENBRECHER von Chris Carter

Rezension „Der Knochenbrecher“ von Chris Carter

Chris Carter „Knochenbrecher“, erschienen bei Ullstein Taschenbuchverlag, Mai 2012, 423 Seiten, übersetzt von Sibylle Uplegger
ISBN: 978-3548284217
Preis: 9,99 Euro



Ein Thriller ist ein bestimmtes Genre in Literatur und Film. Der Name bedeutet „Spannung“. Es soll eine Geschichte erzählt werden, die beim Rezipienten derselben eben dieses Gefühl der Spannung auslöst. Dazu werden bestimmte Techniken verwendet: Weite Spannungsbögen, besondere Überraschungsmomente in der Handlung oder Täuschungsmanöver („Red Herrings“).

Der Autor Chris Carter hat das Handwerk des Thriller-Schreibens gelernt. In seinem Roman „Knochenbrecher“ zieht er alle Register, zeigt alle Spielarten.
Es geht um einen Serienmörder, der Frauen mit zusammen genähten Mündern und Schamlippen in einsamen Gebäuden zurück und dem Sterben überlässt. Sie sollen durch eine Art Selbstzerstörungsmechanismus, den er ihnen in den Unterleib geschoben hat, ums Leben kommen. Mal ist es eine Bombe, die allerdings erst bei der Obduktion explodiert, ein andermal ist es eine Leuchtrakete, die das Opfer von innen verbrennt. Beim dritten Mal eine Art Messer, daß die junge Frau von innen zerfetzt. Die Opfer sind alle Künstlerinnen um die Dreißig, die sich auf frappierende Weise ähneln.
Dr. Robert Hunter, Detective beim Morddezernat I des LAPD, hat die Aufgabe, den Täter zu fassen. Er ist hochintelligent und gut ausgebildet. Ein Genie, das unter Schlaflosigkeit leidet. Und leider aus der Retorte stammt.
Auch die anderen Personen, die in dem Roman auftauchen, wirken wie Abziehbilder, sind bleich und gesichtslos, und bei einigen ist auch lange Zeit unklar, ob sie Männer oder Frauen sind. Sie reden auch viel von ihren Gefühlen, scheinen aber keine zu besitzen.
In der Tat bleibt alles an der Oberfläche. Nichts hat Tiefe.
Und natürlich wird auch am Ende die Chefin von Detective Hunter entführt, so wie es zu sein hat. Und natürlich geht alles glimpflich aus, nur nicht für die kleine Privatdetektivin, die erheblich zur Lösung des Falles beiträgt.

Ach ja, Dr. Hunter ist ja ein Profiler. Das muß man immer wieder erwähnen, weil man es nicht erlebt. So etwas wie Profiling findet nämlich nicht statt. Und wenn, dann auf einem Wikipedia-Niveau, daß eines Romans, mit dem sein Urheber sicherlich sehr, sehr viel Geld verdient, keineswegs gerecht wird.

An dem Buch gibt es nichts Bemerkenswertes. Man liest es und legt es beiseite. Jede Folge von „Criminal Minds“ ist spannender.
Denkt man an die Meister des Faches wie Thomas Harris oder Cody MacFadyan, dann wird die Enttäuschung noch größer.
Nun, das Buch ist ja nicht unangenehm, es ist nur von solch absoluter Durchschnittlichkeit, daß es keinen Eindruck hinterläßt. Man legt es beiseite und denkt nichts. Man ist unberührt. Man empfindet weder Grauen, angesichts der Verbrechen, noch Mitleid mit den Opfern. Nichts empfindet man.
Es gelingt dem Roman nicht, lebendige Bilder im Geist des Lesers zu wecken.

Nun, es mag sein, daß auch dieses Buch seine Klientel findet – den schlichten Geist, der das Vorhandensein von Blut und Eingeweiden mit Atmosphäre und schnelle Szenenwechsel mit Spannung verwechselt.
Aber das ist kein Buch, das bleibt. Man wird es vergessen. Vielleicht taucht es in ein paar Jahren auf den Wühltischen auf. Und da gehört es hin.
Ja, vom Niveau und vom Inhalt her habe ich bei John Sinclaire schon weitaus Beeindruckenderes gelesen.

Zum Schluß noch eine Kritik an der Übersetzung: Der Titel „Knochenbrecher“ macht keinen Sinn, denn bis auf das eine Opfer nebst Autopsie-Mannschaft, die von einer Bombe zerfetzt werden, wobei sicherlich der eine oder andere Knochen zu Bruch geht, erleidet niemand in diesem Buch einen Knochenbruch.
Der englische Titel „The Night Stalker“ ist da schon aussagekräftiger. Und dies wiederum macht Hoffnung, daß das englische Original des Buches möglicherweise auch stilistisch seiner deutschen Übersetzung überlegen sein könnte.