Freitag, 26. Februar 2010
Sehr geehrte Frau Käßmann!
Ich möchte auch sagen, daß ich Sie in diesen Positionen vermissen werde. Sie haben Ihre Ämter immer auf besondere Weise mit Leben und Inhalt gefüllt. Sie waren, ja, Sie sind eine von jenen, die nicht nur nach Amt und Würden um deren selbst willen gestrebt haben. Nein, Sie haben sich engagiert, um etwas zu bewegen, um Veränderung zu bringen und vielleicht sogar, um die Welt ein wenig besser zu machen. Dabei haben Sie immer Ihr Herz auf der Zunge getragen, was Ihnen so manche Kritik beingebracht und Sie in so manches Fettnäpfen hat treten lassen. Trotzdem sind Sie unbeirrt weitergegangen durch die Höhen und Tiefen des Lebens, das Ihnen viel Licht geschenkt, aber auch viele Lasten auferlegt hat.
Durch Ihren Mut in Ihrem Amt wie in Ihrem Leben waren Sie für viele ein Vorbild - auch für mich, obwohl ich Ihnen oftmals eher kritisch gegenüber stand. Aber für mich ist lebendiger Dissenz höher zu bewerten als lebloser, monotoner Konsenz.
Gerade durch Ihre Haltung, die vielen auch unbequem war, haben Sie die Dinge vorangetrieben. Sie waren ein Wetzstein für kritische Geister unter den Christen beiderlei Ausrichtungen.
Sie waren eine Stimme, die gehört wurde.
Ich kann und will nicht glauben, daß dies nun alles vorüber sein soll.
Ich habe relativ spät erfahren, was sich zugetragen hat. Sie sind mit 1,54 Promille Alkohol im Blut in eine Polizeikontrolle geraten, nachdem Sie über eine rote Ampel gefahren waren.
Es versteht sich wohl von selbst, daß dies kein Kavaliersdelikt ist, vor allem, wenn man bedenkt, zu wieviel schweren und tödlichen Unfällen Alkohol im Straßenverkehr führt, und wie viele Menschen deswegen immer wieder schuldlos zu Schaden oder zu Tode kommen. Es gibt an dieser Tat nichts zu beschönigen.
Aber es gibt auch nichts zu verdammen.
Wenn man eine solche Tat begeht, Reue zeigt, die Verantwortung übernimmt und die Strafe dafür trägt, ist die Schuld abgeglichen.
Ich gebe zu, ich war höchst konsterniert, als ich erfuhr, was sich zugetragen hatte, und ich gebe auch zu, daß mir der eine oder andere spöttische Gedanke gekommen ist. Ich bedauere dies, aber es ist nun einmal so, wie der Volksmund sagt: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Dann ist es wieder so: Wer von uns ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Sie sagen, Sie fürchten, daß nun, nach dieser aktenkundlich gewordenen Trunkenheitsfahrt, ihre moralische Integrität geschädigt sei.
Aber das ist nicht wahr.
Menschen machen Fehler. Aber trotzdem bleiben sie die, die sie sind.
Mag sein, daß es den einen oder anderen nun geben mag, der Ihnen nun mit Geringschätzung begegnet. Aber was macht das schon? Das ändert nicht den Menschen, der sie sind.
In einem seiner Bücher schreibt der Dalai Lama sinngemäß: Auch wenn die Tibeter ihn Ozean der Weisheit und die Chinesen den Wolf in Orange nennen, bleibt er doch nur ein einfacher Mensch.
So ist es mit uns allen. Wir sind nicht das, was die anderen von uns halten. Wir sind das, was wir selbst von uns halten.
Ihr Rücktritt, liebe Frau Käßmann, hat mich traurig gemacht, weil Sie damit ein Zeichen gesetzt haben, das nicht nur positiv ist.
Sicher bekommen Sie viel Lob für Ihr Rückgrat, für Ihre moralische Integrität.
Aber das Problem liegt tiefer: Die moralisch integren Menschen ergreifen die Verantwortung für ihr Verhalten, die moralisch verdorbenen Menschen tun es nicht. Deshalb treten die ehrenhaften Menschen zurück, und die anderen bleiben auf ihren Posten. Sie bleiben Ministerpräsidenten, Bundeskanzler, Außenminister. Sie übernehmen keine Verantwortung. Sie sitzen die Vorwürfe aus, sie bleiben - und sie sind es, die uns beherrschen.
So ist es.
Wir werden von seelisch und moralisch verdorbenen Menschen beherrscht, weil die guten Menschen sich zu leicht vertreiben lassen.
Aber es gibt doch einen anderen Weg.
Man muß doch für seine Fehler und Sünden einstehen können, ohne gleich der Welt und den Menschen den Rücken zu kehren.
Es gibt diesen Weg.
Es ist der Weg der Reue, der Buße und der Vergebung, die von Gott kommt.
Und es ist auch klar, daß nun die Medienwelt ihren Kübel Häme über Ihnen vergießen wird. Aber das können Sie nicht verhindern. Da müssen Sie durch. Denken Sie daran, wie unser Heiland verspotttet und gegeiselt wurde, und wie er es ertrug.
Christus starb am Kreuz, um uns von unseren Sünden zu befreien.
Aber dieses Geschenk Gottes müssen wir auch annehmen.
Was soll ich zum Schluß sagen?
Ich achte Ihre Entscheidung und bedauere Ihren Rücktritt. Ich hoffe, Sie bleiben uns erhalten als wache und mahnende Stimme im Sturm dieser Welt.
Bitte, fassen Sie meine Worte nicht als Anmaßung aus. Ich spreche als Christin zu Ihnen.
Wir brauchen gute, integre Menschen, die uns den Weg zeigen.
Bitte, bleiben Sie einer davon.
Hochachtungsvoll,
Ilka Lohmann
Mittwoch, 17. Februar 2010
Politischer Aschermittwoch in Deutschland 2010
Heute war es mal wieder soweit. Zum politischen Aschermittwoch gaben sich die Großen aller Parteien die Ehre und hielten in den trauten Kreisen ihrer Gesinnungsnossen große Reden.
Auch Guido Westerwelle war dabei. Außenminister und Vizekanzler verpflichtet eben, und ganz stolz verkündete er, daß er nur auf dem Parkett der Außenpolitik zur Diplomatie verpflichtet sei. Hier im Lande könne er die Wahrheit sagen - grob und klartextmäßig wie am besten Stammtisch.
Aber wir sollten uns in Acht nehmen vor solchen Leuten, die meinen, sie dürften andere Menschen geruhsam verunglimpfen, beleidigen und diffamieren, wenn es um die Wahrheit ginge. Eine solche Wahrheit ist erfahrungsgemäß nicht viel wert, und dem gesunden Menschenverstand ist ohnehin klar, wie es um dem Wahrheitsgehalt von Herrn Westerwelles Schimpfreden auf Sozialstaat und Hartz-IV bestellt ist. Da bleibt nämlich nicht viel übrig.
Herr Westerwelle verkündete mit großen Worten, er gehöre einer christlich-liberalen und nicht einer sozial-liberalen Koalition an. Was das heißen soll, weiß er vielleicht selbst nicht. Man braucht nur mal im Neuen Testament nachzulesen. Dort findet sich nichts darüber, daß man die Armen diffamieren und gegen einander aufhetzen soll. Vielmehr steht dort, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr kommt, als ein Reicher ins Himmelreich. Soviel zur christlichen Soziallehre.
Obendrein ist Christus für die Wahrheit gestorben, wie in den Evangelien nachzulesen. Christus schwieg, als Pilatus ihn fragte: "Was ist Wahrheit?" Herr Westerwelle hätte dem Stadthalter von Judäa wohl nur in drastischen Worten seine altrömische Dekadenz vorgeworfen.
Herr Westerwelle macht keinen Schritt zurück. Angriff sieht er als beste Verteidigung, und er macht so weiter, wie er nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Hartz-IV-Sätze als verfassungswidrig, als willkürlich festgesetzt und als gegen die Menschenwürde verstoßend bewertet hatte. Und er weiß auch, daß die Botschaft ankommt - an den Stammtischen in NRW und im Rest der Republik.
Sigmar Gabriel bemerkte sehr klug bei seiner Aschermittwochrede, daß das Ziel, das Westerwelle und Co. mit ihren Reden verfolgen, ganz klar darin liegt, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu demotivieren und von der Wahl fernzuhalten, damit langfristig nur noch ihre Klientel zur Wahl gehen und ihre Stimmen abgeben. Das stimmt. Denn die Untersuchungen zeigen, daß es gerade die armen Bevölkerungsschichten sind, die nicht zur Wahl gehen.
Aber nötig ist diese Mühe nicht. Durch ein ausgefeiltes System von Klientelpolitikl Lobbyismus und externes Beratertum ist das ganze System der repräsentativen Demokratie ohnehin schon unterminiert und existiert nur noch auf dem Papier. Das letzte, was Politiker interessiert, ist der Wählerwille.
Für Sarah Wagenknecht war Westerwellles Vizezanler- und Außenministerschaft der Beweis dafür, daß es keinen Gott gäbe, denn viele Stoßgebete zum Himmel, dieser Mann möge nie in Regierungsverantwortung geraten, sind ungehört geblieben. Das ist eine recht witzige Bemerkung, aber leider verbirgt sich dahinter eine bittere Wahrheit.
Dieser Mann, der in sich in so unverschämter, bornierter und dreister Weise über den Sozoialstaat und seine Errungenschaften hermacht, der die Armen aufhetzen will gegen die noch Ärmeren und der mit seiner Rede nichts als Unfrieden stiften will mit dem Ziel, eine Landtagswahl zu gewinnen, ist tatsächlich der Vizekanzler unseres Landes. Und während Frau Merkel noch zumindest versucht, die Kanzlerin aller Deutschen zu sein, zeigt Herr Westerwelle sehr deutlich, wessen Vizekanzler er ist. Und zu diesen Menschen zählen Bezieher von ALG-II offenbar nicht.
Aber die Sache ist die: Wir haben diesen Mann gewählt.
Jean Jacques Rousseau schreibt in seinem "Gesellschaftsvertrag", der übrigens Pflichtlektüre für jeden Staatsbürger sein sollte: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.
Haben wir ihn also verdient, diesen Herrn Westerwelle, der sich die Diplomatie für die Außenpolitik aufhebt und im eigenen Land den Volkston pflegt. Wir haben die Wahl, ihm nicht zuzuhören, seinen Worten keine Macht zu geben und seine sogenannten Wahrheiten als das zu entlarven, das sie sind - billige, volkstönende Stammtischparolen.Dienstag, 16. Februar 2010
Guido Westerwelle und die Alten Römer
Ja, die Alten Römer - sie lebten in Pomp und Verschwendung, und dafür wurden sie dann auch mit dem Untergang belohnt.
Natürlich müssen wir versuchen, solche Zustände in diesem, unserem Lande zu verhindern. Denn die Gefahr ist real, wie erst kürzlich Guido Westerwelle, seines Zeichens Außenminister, Vize-Kanzler und Bundesvorsitzender der FDP, anmerkte. Dabei hat er vor allem eine Bevölkerungsgruppe im Auge - die Bezieher von ALG II, kurz auch Hartz-IV-Empfänger genannt.
Diese Menschen haben keine Arbeit, also jede Menge Zeit, und mit 359 Euro im Monat haben sie es sich in der sozialen Hängematte so richtig gemütlich gemacht und lassen es sich jetzt gut gehen. Wein, Weib und Gesang! Löwen gegen Christen! Nur über Skalven mit Pfauenfedern hat man noch nichts gehört, aber das ist sicher nur eine Frage der Zeit.
Die gute Nachricht dabei ist, daß diese Nevölkerungsgruppe, die auch gern als Bildungsferne Schicht bezeichnet wird, nun offenbar doch den Anschluß an die klassische abendländische Kultur gefunden hat. Sicher ließt man Ovids Liebeskunst, während man sich den gebratenen Fasan mit dem guten Chianti schmecken läßt, und bestürzte Sachbearbeiter des Arbeitsamtes müssen miterleben wie ihnen Zitate von Seneca und Marc Aurel - natürlich auf Latein - entgegengeschleudert werden. Ultra posse nemo obligatur.
So kann das doch nicht weitergehen. Der Meinung ist auch Herr Westerwelle. Deshalb fordert er lautstark und mit allem ihm zur Verfügung stehenden Populismus, daß sich da etwas ändern muß. Anlaß war ihm dafür das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Hartz-IV-Sätze als verfassungswidrig, weil willkürlich gesetzt bezeichnete. Damit verstoßen diese Regelsätze gegen das Grundgesetz und vor allem gegen das darin festgehaltene Gebot der Menschenwürde.
Nun will Westerwelle eine Debatte über den Sozialstaat anstoßen. Und dafür hat er auch seine guten Gründe.
Grund Nummer Eins: Herr Westerwelle sieht seine Felle davonschwimmen.
Noch nach der Bundestagswahl ließ er sich als großer Sieger feiern. Lauthals beschwor er das Wiedererstarken des "bürgerlichen" Lagers und versprach den Seinen eine Steuersenkung.
Da war das Leben noch in Ordnung.
Dann ging es Schalg auf Schlag. Vincere scis, Hannibal, victoria uti nescis. Westerwelle machte als Außenminister nicht gerade eine gute Figur und scheiterte auf dem diplomatischen Parkett. Dann kam das große Steuergeschenk an die Hoteliers - als Dankeschön für eine Millionen-Parteispende des Hotel-Unternehmers Möwenpick, und wie die versprochenen Steuersenkungen finanziert werden sollten, steht auch noch in den Sternen.
Es gibt also über die FDP und ihren Vorsitzenden nicht viel Gutes zu berichten. Zwar ist man in der Fraktion sehr stolz darauf, daß Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger von 250 Euro pro Lebensjahr auf 750 Euro pro Lebensjahr erhöht zu haben, aber das wird ohnehin nur einem Prozent (in Zahlen: 1%) der Betroffenen etwas nützen und ist insofern nur als pseudosoziales Feigenblatt zu betrachten - ein Gesetz ohne Nutzen.
Grund Nummer zwei: Die Partei des Herrn Westerwelle muß im Mai eine Wahl gewinnen, und zwar die Landtagswahl in Nordrhein-Westfahlen, und die Umfrageergebnisse sehen zur Zeit für die FDP alles andere als rosig aus.
Aber Herr Westerwelle ist nicht auf den Kopf gefallen. Er weiß, wie man Stimmen fängt - und zwar mit gnadenlosem Populismus.
Das führt uns zurück ins Alte Rom, denn Herr Westerwelle hat nicht ohne Grund die Dekadenz der sogenannten Unterschicht angeprangert.
Man nennt dies, mit Stammtischparolen Wählerstimmen sammeln. Ein Meister dieser Kunst ist der hessische Roland Koch. Aber so schlecht hat sich Herr Westerwelle auch nicht geschlagen, wenngleich ein paar Anzüge in der B-Note fällig sind. Daß er die Alten Römer bemüht hat, ist doch ein wenig zu sehr Strebertypennote.
Sicher muß der Vize-Kanzler für diese Bemerkung viel Kritik einstecken - auch von der Kanzlerin. Aber das gehört zum Spiel.
Wenn Politiker populistische Phrasen dreschen, geht es nicht um die Presse, andere Politiker oder gar um Experten, Betroffene und Interessenverbände. Die melden sich zwar zu Wort, aber sie sind nicht die Adressaten.
Die Adressaten sind vielmehr jene, deren Stimmen man in der Öfffentlichkeit nicht vernimmt. Zum einen ist es die gut-bürgerliche und neoliberal gesinnte FDP-Klientel, für die von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen und Bezieher von niedrigen Löhnen und schlecht bezahlten Arbeiten ohnehin nicht zur "Bürgergesellschaft" gehören und die damit auch keine Teilhabe daran verdient haben. Dann sind es Angehörigen der Mittelschicht, die am meisten zu verlieren haben in einer Gesellschaft, die immer mehr in zwei Hälften - die ganz Armen und die ganz Reichen - auseinanderbriht und die befürchten müssen, auf der Strecke zu bleiben. Es sind die Spießbürger aller Art, diemit Vorliebe auf die herabblicken, die ihrer Meinung nach gesellschaftlich unter ihnen stehen und die sich so gern in markigen Stammtisch-Sprüchen ergehen. Und schließlich sind es all jene Wenig- und Geringverdiener, damit so die Armen aufgehtzt werden gegen die noch Ärmeren.
Mit anderen Worten: Herr Westerwelle greift ganz bewußt gesellschaftliche Ressentiments und Vorurteile auf und macht sie sich zu Nutze. Er spielt mit der Stigmatisierung, die Hartz-IV-Empfänger in diesem Land erfahren und vewendet sie, um damit auf Stimmenfang zu gehen. Er vergreift sich an den Schwächsten der Gesellschaft, um seine Position wieder zu festigen und um seiner Partei den Sieg bei der Landtagswahl in NRW zu sichern.
So formuliert klingt das schäbig, widerlich, abstoßend. Das ist ein verabscheuungswürdiges Verhalten, und jemand mit gesundem Menschenverstand kann sich nur schwer vorstellen, daß jemand, der bewußt und willentlich derartiges tut, noch ruhig schlafen oder sich zufrieden im Spiegel betrachten kann.
Nur vergißt man bei dieser Beurteilung eines: Herr Westerwelle ist ein Politiker. Folglich heiligt für ihn der Zweck die Mittel. Er muß an seine Wähler, an seine Klientel, denken und für die Politik machen, denn sonst wird er nicht mehr gewählt, und leider Gottes wählen Hartz-IV-Empfänger weder die FDP, wenn sie überhaupt noch wählen, und sie sind bedauerlicherweise auch nicht in der Lage, dieser Partei eine Millionenspende zukommen zu lassen. Wie alle anderen Politiker handelt Guido Westerwelle also nach bestem Wissen und Gewissen, und in unserer Gesellschaft des moralischen Anything-Goes ist Ethik ohnehin Ansichtssache.
Damit wären wir wieder bei den alten Römern.
Vielleicht noch einmal ein paar Worte darüber, warum das mächtige Imperium Romanum zuerst zerfiel und dann zugrunde ging. Der Grund war keinesfalls, daß die Armen des Landes, die Skalven, die Landarbeiter, die Tagelöhner und die Bettler in Saus und Braus lebten. Vielmehr wurde das Reich zerstört von der Dekadenz seiner politischen Kaste, die am Ende nur noch nach der Macht um der Macht willen strebte und nur auf den eigenen Vorteil und den ihrer Günstlinge und Gefolgsleute aus war.
Sic transit gloria mundi.
Ein Blick in die Geschichte lohnt sich doch immer wieder.
Samstag, 28. November 2009
NEUES: Aus der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands
Wie es allerdings scheint, droht den evangelischen Gläubigen bald ein ähnliches Schicksal. Ilse Junkermann, die neue Landesbischöfin, will ihre Kirche ökonomisieren, und sie geht dabei recht radikale Wege. So plant sie, Gottesdienste nur noch ab einer "Mindestzahl von zehn Gläubigen" feiern zu lassen (Thüringer Allgemeine vom 28. November, Seiten 1 und 3). Diese Zahl habe sie der jüdischen Tradition entnommen.
In der jüdischen Tradition ist eine Gemeinde erst dann vollzählig, wenn sie aus zehn Männern besteht. Frauen und Kinder zählen dabei nicht mit. Man nennt das einen Minian. Bestimmte kultische Handlungen verlangen diesen Minian - beispielsweise die Feier der Jahrzeit (der erste Todestag) oder der Bar Mizwa.
Schön und gut, wenn sich Frau Junkermann auf die jüdische Tradition beruft. Aber warum zehn Gläubige? Warum nicht zwölf - entsprechend der Anzahl der Apostel? Letzteres natürlich exlusive des Priesters bzw. der Priesterin.
Oder warum sich nicht auf die "heidnischen Wurzeln" besinnen und neun Gläubige vorziehen. Neun war im Glauben der Kelten und der Germanen die Zahl der guten Gemeinschaft.
Oder warum nicht sieben Gläubige? Wie die sieben Gaben des Heiligen Geistes, die sieben Hauptsünden oder die Sieben Freuden Mariae?
Frau Junkermann führt weiterhin aus, daß es zwar immer möglich sei, Andachten abzuhalten, jedoch "für einen fröhlichen Gottesdienst in der Gemeinde soll es immer eine Mindestanzahl geben." (TA, 28. 11. 2009, S. 3)
Gottesdienst aber ist weder eine Frage der Anzahl der Anwesenden, noch der Fröhlichkeit. Im Mittelpunkt sollte das Wort Gottes stehen, und vielleicht könnte sich die Evangelische Kirche auch auf das Beispiel des Heiligen Franziskus besinnen, der den Vögeln predigte.
Seltsam nimmt sich aus, wie sich die Evangelische Kirche in dieser Frage von ihren eigenen Wurzeln entfernt. Das Kirchenschisma begann, weil die Anhänger Luthers und vieler anderer Prostestanten vor ihm - wie Calvin oder Zwingli - die Bibel nach ihrem Wort auslegen und ausleben wollten. Sie wollten die Bibel wörtlich nehmen und getreu dem Vorbild Jesu Christi leben.
(Anmerkung: Doch ganz so bibeltreu war auch Luther nicht, der gleich zu Anfang den Jakobusbrief zur "strohenen Epistel" erklärte und die beiden Makabäerbücher aus dem Alten Thestament verbannte.)
Die Bibel, in ihrer wörtlichsten Prägung, nimmt zu der Frage, ab wieviel anwesenden Gemeindegliedern ein Gottesdienst gefeiert werden soll, eindeutig Stellung. Matthäus, 18, 19/20: "Alles, was zwei von euch auf Erden erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Die Heilige Schrift - Einheitsübersetzung)
Ich erinnere mich an meine Jugend, in der ich selbst sehr aktiv in der Evangelischen Kirche tätig war. Der Gottesdienst in unserem Dorf fand im vierzehntägigen Intervall statt, und zehn Gläubige waren, so weit ich mich erinnere, niemals anwesend - außer zu Weihnachten, zur Kirmes und zu Ostern.
Einmal geschah es, daß ich als einziges Kind zur Christenlehre erschien. Die Diakonin wollte mich wieder nach Hause schicken und die Stunde ausfallen lassen. Aber mit obigem Bibelzitat konnte ich sie dazu überreden, die Stunde doch abzuhalten. Und was soll ich sagen: Von all den Christenlehrestunden meiner Jugend ist das die eine, an die ich mich am lebhaftesten erinnere. Vielleicht auch deshalb, weil wir nicht nur zu zweit waren.
Es ist Frau Junkermann zu Ohren gekommen, daß ihr Vorschlag zu einem "mittleren Erdbeben" (sic) in den Gemeinden geführt hat.
Aber was auch geschieht: Gerade in Zeiten wie diesen muß sich die Evangelische Kirche auf ihre Wurzeln besinnen, wenn sie sich nicht verlieren will in der ethischen und religiösen Beliebigkeit der Gegenwart.
Wenn man sich darüber beklagt, daß den Gemeinden die Gläubigen davonlaufen, ist es der falsche Weg, deshalb die gottesdientliche Gemeinschaft beschränken zu wollen und immer weniger Pastoren immer mehr Gemeinden anzutragen. Es ist auch der falsche Weg, die kirchlichen Ansprechstellen zu zentralisieren.
Richtig wäre es, gerade jetzt Gesicht zu zeigen und präsent zu sein, teil zu haben am gemeinschaftlichen Leben der Menschen. Kirche muß immer ein Ort der Zuflucht sein, und sie muß da sein, wo die Menschen sind - egal, wie viele.
"Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Thätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt." So schrieben Marx und Engel schon anno 1848 im "Manifest der Kommunistischen Partei.
Vielleicht ist es ja nicht so, daß die Gläubigen den Gemeinden davonlaufen, sondern daß es vielmehr die kirchliche Obrigkeitist, die sich von den Gläubigen entfernt.
Literatur:
"Einander Mitmenschen sein - Im TA-Redaktionsgespräch: Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche", Thüringer Allgemeine vom 28. November 2009, Seite 3
"Die Heilige Schrift - Einheitsübersetzung" (1981), Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH Stuttgart
Donnerstag, 8. Oktober 2009
Mittwoch, 2. September 2009
Friedrich Schiller in Apolda
Trotz der Hitze des Tages war die Veranstaltung gut besucht, und das Publikum lauschte aufmerksam und gebannt den Vorträgen.
Es war für mich sehr angenehm, mich auf diese Weise einmal mehr den Texten Schillers nähern zu können.
Ich kenne Schillers Gedichte und Dramen seit meiner Kindheit, und seit meiner Kindheit liebe ich sie. Schiller ist ein Dichter der Offenbarung, der Freiheit, der Rechtschaffenheit. Besonders sind seine Texte nicht nur durch ihre Schönheit, den Glanz der Sprache, den meisterlichen Stil, sondern auch deshalb, weil immer ein Quantum Weisheit seinen Worten beigegeben ist.
Schillers Schicksal war es, ein Kämpfer zu sein - für die Freiheit, das Glück und das eigene Wohlergehen. Weil er selbst zeitlebens von vielen Fesseln gebunden war, wußte er die Freiheit nur um so mehr zu schätzen.
Es ist so: Wer sich nicht rührt, spürt seine Ketten nicht. Schiller rührte sich und rüttelte an seinen Banden, und darin ist er uns Vorbild.
Nicht hinnehmen und schweigen, sondern die Stimme erheben.
"Du mußt glauben, du mußt wagen,
denn die Götter leihen keinen Pfand;
nur ein Wunder kann dich tragen
in das schöne Wunderland."
(Friedrich Schiller: "Die Sehnsucht")
Dienstag, 7. April 2009
Sonntag, 22. März 2009
Leipziger Buchmesse II: IN DER HÖRBUCH-HÖLLE
Die Druiden selbst schrieben kein Wort auf. Deshalb wissen wir auch kaum mehr von ihnen.
Doch ihre Worte machen nachdenklich. Denn vielleicht hatten sie recht.
Durch das geschriebene Wort wurde aus lebendiger Weisheit Bücherwissen. Aus Bücherwissen wurde Information. Man kann Geschriebenes eben "getrost nach Hause tragen", und man kann sich darauf verlassen, daß einem das Wissen zur Verfügung steht. Wissen, wo es geschrieben steht, statt einfach nur zu wissen.
Aber wer weiß. Einzig unwandelbar ist, wie schon der Buddha lehrte, nur der ewige Wandel. Vielleicht befinden wir uns auf einem Weg, der heraus führt der Schreibkultur unserer Tage.
Ein Indiz für diese Veränderung ist die zunehmende Beliebtheit, die von den Menschen, vor allem von den sogenannten bildungsbürgerlichen Schichten dem Hörbuch entgegengebracht wird.
Ein Hörbuch ist, wie der Name schon sagt, ein Buch zum Hören. Auf mehreren leicht handhabbaren CDs oder Kassetten befindet sich, meist von hochkarätigen Rezitatorenn eingelesen, ein Roman in ganzer Länge, den man nach eigenem Gutdünken hörend rezipieren kann. Man wirft einfach die CD in die Stereoanlage oder das Autoradio, und schon befindet man sich mitten drin in der Welt der klassischen oder modernen Literatur.
Hörbücher sind zur Normalität geworden. In Buchhandlungen nehmen sie schon fast soviel Raum ein wie die althergebrachten papiernen Bücher. Jeder Verlag, der etwas auf sich hält, bringt einen Roman gleichzeitig als Buch und als Hörbuch heraus. Daß Hörbücher dabei um einiges teurer sind, scheint kaum einen dabei zu stören. Immerhin richten sich die meisten dieser Lesungen an ein Publikum, das ohnehin kaum von wirtschaftlichen Engpässen betroffen ist.
Das Hörbuch wird als Erfolgsmodell verkauft, weil es angeblich auch die so sehr umworbenen "jungen Konsumenten" an Literatur heranführt.
Es nimmt also nicht Wunder, daß auch die Leipziger Buchmesse dem Hörbuch einen großen Raum eingerichtet hat.
Ja, die Hörbuchhölle befand sich in Halle 3. Gleich um die Ecke konnte man sich das E-Book vorführen lassen, und ironischerweise war in selbem Saal auch die Leipziger Antiquariatsmesse - ein fester Bestandteil der Buchmesse - untergebracht. So waren literarische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft harmonisch unter einem Dach vereint.
Die Hörbucher ber herrschten unbeschränkt in der ganzen Mitte der Halle. Es gab keinen Weg daran vorbei. Ich versuchte lange und vergeblich, den Stand des Campus-Verlages zu finden, doch unter den Hörbüchern verlor ich meine Orientierung.
Es gibt mit Sicherheit kein Buch mehr, daß es nicht als Hörbuch gibt. Und für die, denen das auch noch zu anstrengend ist, ist vieles bereits als Hörspielversion zusammengefaßt.
Was für Zeiten sind das doch, in denen wir leben! Man muß nicht einmal mehr lesen können, um sich mit der Literatur der Welt vertraut zu machen.
Viele könnten es auch nur lesend gar nicht mehr.
Der Bundesverband fpr Alphabetisierung und Grundbildung e.V. spricht von 4 Millionen Analphabeten in Deutschland. Man kann aber davon ausgehen, daß die Dunkelziffer weit höher ist. Es genügt nicht, nur lesen und schreiben zu können. Mancher kann zwar schreiben, ist aber trotzdem nicht in der Lage, klare und grammatikalisch korrekte Säzte zu formulieren. Andere können lesen, verstehen da Gelesene aber nicht.
Das scheint keinen zu interessieren. Medienwirksam beklagen zwar immer wieder ein paar Politiker die Bildungsmisere in Deutschland, doch das, was jene unter Bildung verstehen, ist nichts weiter als die "Ausbildung" eines getreuen Konsumenten, Staatsbürgers und Arbeitnehmers. Um wahre Bildung, "Menschenbildung" nannte es Schiller, geht es doch schon lange nicht mehr.
Die großen Ideale der Aufklärung sind dahin. Keiner ruft mehr den Menschen, wie einst Immanuel Kant, ein "Wage es, zu denken!" zu oder fordert den "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unnmündigkeit". Nein. Heute ist diese Unmündigkeit überaus erwünscht.
Und die Hörbücher, bei allem Nutzen, den sie bringen mögen, sind auf lange Frist nur ein weiterer Schritt in diese Richtung. Fatalerweise sind einige dieser Hörbücher sehr schön gemacht. Ich erinnere an die Harry-Potter-Aufnahmen von Stephen Fry oder an die Lesung "The Return of the Native" (Roman von Thomas Hardy) von Alan Rickman.
Hörbucher sind, um nicht allzu sehr in eine Richtung auszuschlagen, eine wertvolle Ergänzung, nur sollte man sich hüten, sie überzubewerten und sie zu mehr zu machen, als sie sind.
Man braucht auch für "die Jugend" keine Hörbücher, um sie an Literatur heranzuführen. Dafür braucht man einfach nur gute und spannende Bücher. JKR hat es gezeigt. Was wir brauchen, sind leidenschaftliche Autoren und Verleger. Dann werden wir auch leidenschaftlich lesen können.
Ich selbst - man ahnt es bereits - bin keine große Freundin von Hörbüchern. Ich brauche ein Buch, um es zu lesen. Ich will in meiner eigenen Geschwindigkeit lesen, und ich will das in den Text hineinlesen können, was ich darin sehe, denn ein vorgelesener Text hat zwei Väter und Mütter - die Autoren und die Rezitatoren. Das muß man wissen.
Selbst zu lesen, ist auch ein Stück Freiheit der Phantasie. Wenn ich ein Buch lese, trete ich in eine Welt ein, die voller Geräusche und Gerüche und sichtbarer Dinge ist. Alle Sinne spricht das Lesen an. Ich höre die Figuren geradezu reden.
Das geschieht nicht, wenn ich nur Zuhörerin bin.
In unseren Breiten gibt es keine Druiden mehr. Wohlaber in Wales. Diese Druiden aber sind weder Seher noch Schamanen. Sie sind Dichter. Sie schreiben Bücher und lehnen das tote Geschriebene nicht mehr ab.
Das Buch als Hüter und Träger des Wissens wird nicht verloren gehen. Meiner Generation jedenfalls nicht.
Für die, die nach uns kommen, kann ich nur hoffen.
Freitag, 20. März 2009
Leipziger Buchmesse: Nachlese - Die Erste
Es gab viel zu sehen, viel zu erleben, viel zu lernen - und vor allem: viele Bücher!
Ich hatte das Glück, am Freitag, auch wenn es der Dreizehnte war, auf der Messe zu weilen und nicht an einem der Tage des Wochenendes, an denen die Messe von Besuchern aller Art nahezu überschwemmt wurde.
(Der neue Besucherrekord am Ende der Messe ließ da auch nicht auf sich warten.)
Der Tag begann für mich allerdings mit einer Lehre: Folg nicht der Masse, ohne dich umzuschauen.
Auf dem Weg über den Parkplatz hin zum Eingang geriet ich in eine Gruppe von Schülern, die mit zwei Lehrern oder Erziehern einem Bus entstiegen waren. Sie gingen über den Parkplatz, und kurz vor dem Eingang bogen ab und stiegen eine Treppe hinab. Ich wollte ihnen folgen, doch ich zögerte. Zu meiner Rechten stand ein großes Schild mit der Aufschrift "EINGANG". Daneben war ein Gitter, und bei dem Gitter stand ein Wachmann. Ich entschloß mich, ihn anzusprechen.
"Entschuldigen Sie, ist hier der Eingang zur Messe?"
Der Wachmann bestätigte das. Ja, ich könne hier eintreten. Kein Problem. Der ganz normale Nebeneingang.
Verwundert fragte ich: "Warum sind diese da", damit meinte ich die Schülergruppe, "dann dort hinab gegangen."
Der Wachmann zuckte mit den Achseln und meinte: "Das weiß ich auch nicht."
Nun, ich ging also hinein, fand sofort einen freien Schalter, an dem ich mir meine Eintrittskarte und einen Ausstellerkatalog besorgte, ich ging durch die Schranke und war drin.
Auf dem Weg zur Halle 4 - durch einen der erhabenen Durchgänge, die überirdisch die beiden Flügel der Messe mit einander verbinden - fiel mein Blick zu den Kasseschaltern am Haupteingang. Dort standen die Menschen dicht gedrängt bei einander. Ja, das war mir erspart geblieben. Ebenso war es eine glückliche Fügung, daß sich die Schülergruppe einen anderen Eingang gesucht hatte, hätte ich ja sonst hinter ihnen oder in deren Mitte mich um die Schalter am Nebeneingang drängen müssen.
Halle 4. Halle 4 war mein Messe-Höhepunkt.
Dort waren vor allem Klein- und Nischenverlage versammelt, und es gab viel Raum für interessante Entdeckungen.
Dabei freute mich eines besonders: Das "POESIEALBUM" ist wieder da. Und zwar schon seit 2008. Aus DDR-Zeiten kennt man vielleicht noch diese interessante Zeitschrift, die in kurzer Form zeitgenössischer und klassischer Lyrik eine Plattform bot. Als Nachgeborene kenne ich diese Heftchen leider nur aus dem Antiquariat.
Aber nun gibt es sie wieder. Der nächste Band ist Seamus Heany gewidmet. Ich nahm mir am Stand des Märkischen Verlages ein wenig Werbematerial mit und das Heftchen mit Ezra-Pound-Gedichten.
Und ich freue mich auf weitere Hefte.
Am Stand des Jenaer Quartus-Verlages erstand ich einen Band mit Thüringer Minneliedern.
Und mir fiel eine Anthologie mit Texten isländischer Autoren in die Hände, die von der Edition DIE HOREN herausgegeben wurde.
Es war wieder einmal eine Entdeckungsreise.
Die Vielfalt ist das Besondere dieser Verlage, die zu Unrecht klein genannt werden, denn sie besetzen Nischen, die von den großen Publikumsverlagen schon seit langer Zeit entweder übersehen oder einfach bewußt nicht mehr bedient werden. Hier findet man noch immer die besonderen Bücher und Ausgaben, die sich von der großen Masse der in Deutschland publizierten Literatur abhebt.
Nicht ohne Wehmut verließ ich die Halle 4.
In Halle 3 erwartete mich die Hörbuch-Hölle. Doch darüber mehr zu einem späteren Zeitpunkt.
Sonntag, 1. März 2009
APOLDA -Der Blick nach Oben

Die Großstadt ist ein Traum, wenn man in Apolda lebt. Ich schreibe das ohne jegliches Urteil. Sie ist keine strahlende Erscheinung und auch kein Alpdruck. Sie ist ein Fernes, ein Unvorstellbares.
Apolda ist eine Stadt, die sich schon am Nachmittag zur Ruhe legt. Am Sonnabend ist sie schon vor dem Mittagsläuten eingeschlafen. Sie träumt nicht mehr. Ihr Schlummer ist ohne Erscheinung. Ein tiefes, schweres Ruhen, ein leeres Rauschen, und man kann sie verhalten atmen hören, wenn man durch die Gassen geht. Dann spürt man, wie ruhelos sie ist, trotz alledem.
Die Straßen sind eng, haben keinen Horizont, und sie sind voller Schatten. Wenn es regnet, steigt kalter, metallener Dunst auf, der sich als bitterer Geschmack auf Zunge und Gaumen legt. Man muß sehr weit nach oben steigen, um Licht zu erblicken, um über die Stadt hinaus zu sehen. Dort gibt es Felder, ausgedehnte Wiesen, Waldstücke, anmutige Berge. Im Inneren vergißt man das schnell.
Vieles vergißt man in Apolda. Zwischen bewohnten Häusern stehen leere Fabrikhallen. Überreste einer vergangenen Zeit und einer vergangenen Größe. In der Tat war Apolda einstmals eine wohlhabende Stadt. Das Strickerhandwerk hatte sie reich gemacht, und von weither kamen die Menschen, um hier zu leben und zu arbeiten. Und sie fand Erwähnung in den Werken Goethes und Thomas Manns. Auch heute kommen die Menschen noch. Doch sie bleiben stets nur auf Durchreise.
Neben dem Busbahnhof befindet sich das Altersheim. Beide sind Orte, an denen man darauf wartet, nach Hause zu fahren. Überhaupt ist Apolda eine Stadt, die man verläßt. Niemand bleibt hier, dem andere Wege offen stehen. Andere Orte rufen nach denen, die gehen, Orte, die vielleicht nicht schöner oder lebendiger sind, aber größer, lauter und weniger verfallen.
Alles strebt zum Licht, aber hier will die Sonne nicht scheinen. Selbst die Sommer sind nur schwül und heiß. Dann fällt das Atmen schwer zwischen den Häusern. Zu viel Stein hemmt das frische Leben.
Ich weiß nicht, ob Apolda ein guter Ort zum Leben ist, aber zum Sterben ist er so gut, wie jeder andere auch; und die Zeit des Todes kann hier auf angenehmste Weise verbracht werden. Einer der schönsten Orte der Stadt, neben dem Alten Schloß und dem Parkdeckdach des Supermarktes, ist der Friedhof. Er ist schattig und kühl. Hier ragen die Bäume hoch auf in den Himmel, und alles ist von einem dichten Gebüsch umgeben und durchdrungen. Ein verwunschener Garten, wie ihn Kinder sich erträumen, die noch an Märchen glauben. Man schleicht an alten Grabmälern vorbei, die prunkvollen Mausoleen gleichen und vergißt gleichsam, daß draußen die graue Stadt noch immer nicht verschwunden ist. Auf dem Friedhof ist es anders. Die Zeit schweigt, aber die Vögel singen. Eichhörnchen tummeln sich in den Wipfeln der Blutbuchen. Schmetterlinge umwirbeln die Efeuranken. Auf einigen Gräbern brennen Kerzen. Lichter der anderen Welt, der man hier näher zu kommen meint. Ein Schritt weiter, und man ist hinüber gegangen.
Mein Lieblingsort in Apolda aber ist das Oberste Parkdeck eines großen Supermarktes. Dieser befindet sich mitten in der Stadt, am tiefsten Punkt des Tales, über das die Stadt ausgebreitet liegt gleich dem Unterholz eines Gebirgswaldes. (Menschen wie Bäume. Sie scheinen einander zu fliehen, und doch sind sie verbunden, gleichsam gegen ihren Willen. Vielleicht, weil beide – die Bäume und die Menschen – beseelten sind, und ihre Seelen, auch wenn ihre Leiber nach außen streben, zieht es immer wieder zusammen, weil EINE Seele alles Leben umfaßt.) Das Parkdeckdach des Supermarktes ist ein besonderer Ort, beinahe magisch. Man ist erhoben, ja erhaben. Aber man überragt die Stadt nicht. Man schwebt auf einer Höhe mit den Kirchtürmen und den Hügeln, die Apolda umschließen. Man enthebt sich dennoch der chthonischen Kleinstadt, man entflieht in ein Anderes, eine Wolkenstadt. Die Ahnung eines neuen, eines Himmlischen Apolda, das am Jüngsten Tag wie ein Traum über uns kommen mag, erfüllt den, der den Blick vergeblich in die Ferne richtet. Nur der Himmel öffnet sich dem Schauenden. Entrückung, die ein Nebel ist. Man ist nicht fremd. Man fühlt sich als Teil – der Wolken, der Hügel, des Himmels. Man wird selbst ein Nebel und meint, vom nächsten Wind davongetragen zu werden. Und während man in stummer Betrachtung des Augenblicks verweilt, fließt der nicht versiegende Strom derer, die im Supermarkt nur nach Waren suchen und anderes vergessen haben. In Augenblicken wie diesen fühlt man sich beinahe zu Hause, dann ist Heimat mehr als ein Wort, doch alles zerfällt zu Tau auf dem grauen Asphalt der Straßen.
So endet der Tag; und mit flammendem Abendrot wirft sich die Dämmerung über die Stadt. Noch ehe die Sonne untergegangen ist, fallen die Schatten über die Gassen, und hinter den Fenstern entzünden sich Lichter. Aber der Vollmond leuchtet hell. Silberne Strahlen stürzen auf uns nieder, die Sterne leuchten auf, und die Nacht ist wie Seide, ein Hochamt der Stille, ein Gebet um Frieden und Schönheit, und ein Schrei, der grell hinaus fällt vom Grau in das Nicht-Sein der Unendlichkeit.
Vielleicht ist Heimat eine Entscheidung, die jeder für sich allein fällen muß. Und dann muß man bestimmen, ob Heimat ein Ort ist, den man verläßt, an dem man bleibt, oder zu dem man eines Tages zurück kehren will.
Wer in Apolda bleibt, hat nicht immer diese Entscheidung getroffen. Viele bleiben, weil hier der einzige Ort ist, an dem sie sein können. Doch das gilt auch für viele von denen, die gehen.
Mag sein, daß man in den Großstädten der Welt freier atmen kann, doch Einsamkeit ist sich immer gleich, an allen Orten der Welt, ebenso Liebe, Freundschaft und Glück. Es ist nicht wichtig, wo man gerade ist. Gottes Wind weht überall, und auch über Apolda geht er hinweg, Tag für Tag. Gott hat uns nicht verlassen in Apolda, auch die Hoffnung ist uns geblieben, und das ist hier ein großes Wort.
Samstag, 7. Februar 2009
SPONSORENAKTIVITÄTEN FÜR DAS GYMNASIUM BERGSCHULE APOLDA
Seit einiger Zeit strebt der Förderverein Gymnasium Bergschule Apolda e.V. eine Zusammenarbeit mit Vertretern der freien Wirtschaft an. Maßgeblich in Bewegung gesetzt wurde dies durch die Kooperation mit einem Software-Unternehmen aus Leipzig, das von einem ehemaligen Schüler des Gymnasiums Bergschule Apolda betrieben und geleitet wird.
Die ersten Erfolge dieser Gemeinschaftsarbeit sind bereits eingetreten und können sich sehen lassen. Ein von dem Leipziger Software-Unternehmen entwickeltes Marketing-Tool, das es klein- und mittelständischen Unternehmern ermöglicht, sich auf einfache und kostengünstige Weise im Internet zu vermarkten, kann über eine Spende an den Förderverein Bergschule Apolda e.V. erworben werden. Auf diese Weise kommen den Schülern der Bergschule diese Spenden in finanzieller Hinsicht zu gute.
Nicht nur Spendengelder sind zur Förderung des Gymnasiums Bergschule angedacht, auch Sachspenden in Form von Fachliteratur, technischen Geräten und Weiterbildungsangeboten zum Nutzen der Schüler werden auf diesem Wege akquiriert.
Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass auch andere Firmen dem Beispiel des Leipziger Software-Unternehmens folgen werden – zum Nutzen aller Beteiligten.
Durch die Zusammenarbeit zwischen der Schule und der freien Wirtschaft soll zum einen den Schülern der Weg in das Berufsleben erleichtert werden; zum anderen ergeben sich für die Sponsoren neue Möglichkeiten zu Auffindung von Mitarbeiter und zur Akquirierung neuer Kunden. Ein vielfältiges Sponsorennetzwerk kann so entstehen und ineinander greifen.
Mittwoch, 4. Februar 2009
Zum Beginn

Wie beginnt man? Der Schrecken des ersten Satzes, der uns hemmt, der so viele muntere Gedanken im Keim ersticken läßt.
Ich will es kurz machen - für den Anfang. Nur ein paar Worte. Nur ein paar Augenblicke.
Später wird es mir leichter fallen. Noch hemmen mich meine eigenen Gedanken.
Ich werde mir Zeit lassen und geben.
Der Anfang ist gemacht. Und das ist doch schon mal ein großes Wort.