Freitag, 21. Oktober 2011

ABENTEUER IN DER TUDORZEIT - Rezension "Der Dunkle Thron" von Rebecca Gablè


Rezension: Rebecca Gablés neuer Roman „Der Dunkle Thron“

Rebecca Gablé „Der Dunkle Thron“, Bastei Lübbe (Oktober 2011) (960 Seiten)

ISBN 978-3431038408, Preis: 24,99 Euro


Rebecca Gablés neuer Roman nimmt den Leser mit auf eine Abenteuerreise durch die Zeit von Heinrich dem VIII.

Gleich zu Anfang begegnet man dem jungen Nicholas, dem ältesten Sohn des Earl of Waringham. Nicholas und seine Schwester Laura leiden in der elterlichen Burg unter einer übelwollenden Stiefmutter und deren Tochter aus ihrer erster Ehe. Doch das ist noch nicht alles. Der Earl vernachlässigt das Gut und die berühmte Pferdezucht, um in seiner Bibliothek ketzerische Schriften zu sammeln, zu lesen und selbst zu verfassen. Deshalb kehrt Nicholas zurück aus der Schule von Thomas More, um seinen Vater wieder zurück auf den rechtgläubigen Weg zu bringen, und der Earl beugt sich.

Doch umsonst. Verleumdung bringt den Earl in den Tower, und Nicholas, der ihm hinterher reist, muß mit eigenen Augen sehen, wie sein Vater an den Folgen der Folter stirbt.

Das weckt in dem jungen Mann einen tiefen Haß auf den König und seine Handlanger, der ihn in den Jahren seines Lebens immer wieder in Schwierigkeiten bringen wird.

Nicholas versucht zunächst, sich aus der Politik herauszuhalten. Während es im häuslichen Bereich zu einem unüberwindlichen Bruch zwischen ihm und seiner Stiefmutter, die er liebevoll Sumpfhexe nennt, konnt, versucht er, die Pferdezucht neu zu beleben. Und während er sich anlässlich eines Pferdemarktes in London aufhält, erreicht ihn ein Ruf der Königin Catalina. Sie ist noch die Ehefrau von König Henry. Aber der hat in Anne Boleyn eine neue Liebe gefunden und eine potentielle Gebärerin von Söhnen. Deshalb versucht er, die Ehe zwischen sich und Catalina annullieren zu lassen. Deshalb befürchtet die Königin schlimme Folgen für ihre Tochter Mary, und sie bittet Nicholas, dieser ein Freund, ein Vertrauter und ein Beschützer zu sein. Nicholas kann nicht anders, als einzuwilligen.

Nicholas, nun engster Vertrauter von Mary Tudor, erlebt all die großen Ereignisse mit, die England in der Zeit von Heinrich dem VIII. erschütterten: die sechs Ehen des Königs, zahlreiche Hinrichtungen von mehr oder weniger namhaften Zeitgenossen, die Gründung und Verbreitung der anglikanischen Kirchenreform.

Nicholas und seine Freunde und Verwandten geraten dabei immer wieder fast unter die Räder, und viele schwere Unglücksfälle und Notzeiten sind zu überstehen, bis endlich Königin Mary I. den Thorn von England besteigen kann.

Der Roman ist eine sehr spannende, unterhaltsame und bunte Lektüre. Gablé schreibt mit sicherer Hand und mit Leichtigkeit, die an Dumas denken läßt. Und sie schreibt mit großer Sachkenntnis, ohne sich mit dieser aufzudrängen.

Es gelingt der Autorin sehr gut, die einzelnen Charaktere von einander abzugrenzen und als Individuen darzustellen, als lebendige Menschen mit guten und schlechten Charakterzügen, und selbst die unliebsamen unter ihnen dürfen einmal in einem wohlwollenden Licht erscheinen.

Das Gute dieses Buches überwiegt. Die Sprache ist weich und ausgeglichen und der Tudorzeit überaus angemessen. Es überrascht, daß – entgegen sonstiger historischer Rezeption dieser Zeit der englischen und europäischen Geschichte – die Sympathien der Autorin nicht auf den Seiten der Reformatoren, die sie Reformer nennt, liegen, sondern auf der Seite derjenigen, die am Papsttum und am Katholizismus festhalten. So bleibt auch die Hauptperson Nicholas, trotz der reformatorischen Umtriebe selbst in seinem engsten Familien- und Freundeskreis, katholisch, auch wenn er immer wieder in der englischsprachigen Bibel von William Tyndale liest, sogar während seiner Festungshaft im Tower.

Doch der Roman hat auch seine Schwachstellen.

Als erste wäre die Leerstellentechnik zu nennen, die von der Autorin immer wieder eingesetzt wird. In einer Szene beschwört sie ein Ereignis herauf, in der darauffolgenden Szene ist das Ereignis schon vergangen, und seine Folgen werden ausgewertet. Mitunter sind solche Leerstellen mehrere Jahre lang.

Dann tauchen immer wieder Figuren wie aus dem Nichts in Dialogen auf. Meist wird ihr Erscheinen dann in einem fadenscheinigen Nebensatz spärlich erklärt, doch es vermittelt den Eindruck, als wäre der Autorin in dem Augenblick, als sie das schrieb, gar nicht bewußt gewesen, daß die Person eigentlich gar nicht da war.

Zudem hat die Autorin einen gewissen Hang zu Relativsätzen, die sie mit dem umschönen „welche“ einleitet, nur um die Dopplung von gleichlautendem Relativpronomen und Artikel zu vermeiden.

Die größte Schwäche des Romans ist allerdings die Handlung, was daran liegt, daß er eigentlich keine hat. Letztlich ist es nur eine Abfolge von Geschehnissen, die bis zum ende des zweiten Teils noch immer eine gewisse Spannung hat und zumindest einen Handlungsablauf andeutet, doch dann scheint die Autorin irgendwie die Konzentration verloren zu haben. Die Ereignisse wirken plötzlich auf eine seltsame Art weit hergeholt.

Und die Unfähigkeit der Autorin, ihre Figuren Konflikte wirklich durchleben zu lassen, hat schon fast etwas sehr ärgerniserregendes. So geschieht es sehr oft, daß eine Person ganz tief in ein Schlamassel hineingerät, aber durch einen Umstand, den bis dahin nur keiner gewußt hat, entgeht die Person der Katastrophe. Der Deus ex Machina macht da wieder einmal Überstunden.

An dieser Stelle noch ein kurzes Wort zu der Hauptperson des Romans: Nicholas of Waringham. Er ist ein schwieriger Charakter, in sich zerrissen. Auf der einen Seite bringt er der Prinzessin Mary eine Loyalität entgegen, die ihn bis an den Rand der Selbstzerstörung bringt, auf der anderen Seite ist er nicht dazu in der Lage, diese gleiche Verbundenheit seiner Ehefrau und der Mutter seiner Kinder entgegen zu bringen. Wenn ihm Angehörige des „neuen“ Adels unterstellen, er wäre ihnen gegenüber arrogant, aufgrund seiner alten Familie, so leugnet er es, doch fällt es ihm nicht schwer, diese Arroganz gegenüber seiner Ehefrau, die aus einfachen Verhältnissen stammt und die gezwungenermaßen ehelichen mußte, nach Belieben auszuleben. Eine Zeitlang bringt er den Pferden mehr Verständnis entgegen als seinem eigenen Sohn. Das macht es schwer, ihm nahe zu kommen und ihn zu mögen. Dennoch ist er ein Charakter, der fasziniert. Wenngleich keiner von den Großen.

Es fällt zwar schwer, ihn zu mögen, doch gerade wegen dieser Zerrissenheit und der Schattenseiten seiner Persönlichkeit fällt es leicht, sich in ihn hineinzuversetzen.

Trotzdem kann man mit dem Buch sehr angenehme Lesestunden verbringen. Denn einiges unterscheidet ihn wohlwollenden von den meisten (pseudo-)historischen Romanen, mit denen der Buchmarkt zur Zeit ertränkt wird.

Erstens beruht das Buch auf historisch recherchierten und korrekten Fakten. Bis ins kleinste hinein.

Dann ist es keiner dieser tumben „Frauenromane“, in denen meist irgend eine Frau versucht, etwas Ungewöhnliches zu tun, um aus ihrer Gesellschaftlichen Rolle auszubrechen.

Drittens ist die Sprache des Buches, bis auf oben genannte Schwäche, gut gewählt und angemessen. Was leider selbst im historischen Bereich keine Selbstverständlichkeit ist.

Viertens ist das Buch spannend und unterhaltsam und berührend erzählt.

Das Buch ist also lesenswert. Und es ist gerade zur rechten Zeit auf den Markt gekommen, um als unterhaltsame Lektüre für die länger werdenden Herbstabende zu dienen. Und es ist auch die Ausstattung mit seidenem Lesebändchen, die beim Lesen viel Freude bereitet.


http://www.luebbe.de/

http://www.amazon.de/dunkle-Thron-Historischer-Roman/dp/3431038409/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1313762716&sr=8-1

http://www.bloggdeinbuch.de/



Samstag, 8. Oktober 2011

SICH DURCHKÄMPFEN: Rezension von "BOX! Du hast nur diese eine Chance" von UweSchuster und Philipp Kohlhöfer

Uwe Schuster/Philipp Kohlhöfer „BOX! Du hast nur diese eine Chance“, Wilhelm Heyne Verlag München, 2011

ISBN: 978-3-453-60187-1

Preis: 13,00 Euro


Oft kommt es im Leben anders, als man denkt, und manchmal kann keiner voraussehen, wohin einen der Weg führen wird.

Eine Binsenweisheit scheinbar, aber eine, die sich immer wieder bewahrheitet. So auch in der Biographie von Uwe Schuster, der in dem Buch „BOX! Du hast nur diese eine Chance“ (erschienen im Heyne Verlag) aus seinem Leben erzählt.

Der Anfang war eine vielversprechende Boxer-Karriere in der DDR, doch dieser Traum zerplatzte, weil Schuster die extremen Trainingsbedingungen, die seinen körperlichen und physiologischen Konditionen nicht zuträglich waren, nicht ertragen konnte. Er schaffte hier den Ausstieg, ehe sein Körper größeren Schaden genommen hatte.

Dann die Rückkehr in die Vaterstadt Halberstadt, die Lehre als Maschinenbauer und ausgiebiges Kommunardenleben, schließlich die Verpflichtung bei der NVA, die mit einer unehrenhaften Entlassung endete – der Liebe wegen.

Schuster berichtet nun von einem nicht ganz gewöhnlichen Leben in der Mangelwirtschaft des real existierenden Sozialismus. Immer wieder Schwierigkeiten mit der Wohnung, Schimmelbefall und Atemwegserkrankungen. Eheschließung, Ehescheidung. Doch nebenher auch viel Kreativität.

Schließlich, Ende der 1990er Jahre, sind zwar die Wirren der Wende gerade so überstanden, aber die familiären Probleme beginnen gerade erst. Um einen Ausweg zu finden, schließt Schuster an seine eigene Jugend an – das Boxen. Zuerst trainiert er nur den eigenen Sohn, später eröffnet er in Halle ein Profi-Boxcamp.

Die Lektüre dieser Lebensgeschichte ist sehr spannend. Das Buch erzählt einfach und schnörkellos. Im Plauderton kommt es daher und nimmt den Leser mit, der unter anderem Einblicke bekommt in die Sportlerausbildung in der DDR und hinter die Kulissen des Profiboxens schauen darf. Ein Blick allerdings, der viele Illusionen zerstören kann.

Denn Schuster, dem der Journalist Philipp Kohlhöfer bei diesem literarischen Unterfangen zur Seite stand, berichtet offen und ungeschönt und nimmt kein Blatt vor den Mund. Auch nicht, wenn es um eigene persönliche Angelegenheiten geht.

Ehrlich erzählt er, wie seine erste Ehe scheiterte und wie sein Sohn auf die sprichwörtliche schiefe Bahn von Drogenkonsum und Jugendkriminalität geriet.

Unter anderem erzählt Schuster, wie er und seine erste Frau in DDR-Jahren ihr spärliches Einkommen aufbesserten, in dem sie in Eigenproduktion Kunsthandwerk herstellten und damit auf Märkten vertreten waren.

Dieser Erfindungsreichtum ließ Schuster nicht im Stich. Immer wieder gelang es ihm in seinem Leben, sich auf neue Situationen einzustellen und das Beste daraus zu machen.

Und er selbst sagt an einer Stelle, daß es nicht schlimm sei hinzufallen, selbst wenn es wieder und wieder geschehe... Wichtig sei nur, immer wieder aufzustehen.

Das sind keine Lehren Worte, sondern Lebenserfahrungen.

Schusters und Kohlhöfers Buch ist nicht zuletzt auch ein Stück Zeitgeschichte. Wenngleich der große Sprung nach dem Ende der Wendezeit ein wenig irritiert, weil die Geschichte scheinbar nahtlos im Jahr 1999 ankommt.

„BOX! Du hast nur diese eine Chance“ ist keine große Literatur, erhebt aber auch nicht den Anspruch, dergleichen zu sein.

Es ist die nicht ganz so einfache Lebensgeschichte eines nur auf den ersten Blick einfachen Mannes.

Eine lohnenswerte Lektüre.