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Mittwoch, 12. Mai 2010

DIVERSE ZEITGENÖSSISCHE SAVONAROLA-BIOGRAPHIEN

Nachdem ich gestern die Savonarola-Biographie von Joseph SChnitzer vorgestellt habe, möchte ich diesen Beitrag um eine kleine Übersicht diverser zeitgenössischer Lebensbeschreibungen des Frate vorstellen.

1. Ernst Piper "Savonarola - Prophet der Diktatur Gottes"
(erschienen bei: [2009] Allitera-Verlag - Ein Verlag der Buch&Media GmbH, München)
ISBN; 973-86520-327-4; € 16,90

Das ist die neueste, deutschsprachige Publikation, die dem Frate gewidmet ist. Das Buch ist ein akzeptabler Einstieg. Es ist ein recht schmaler Band, der leider nur an der Oberfläche bleibt.
Allerdings ist es von all den Büchern zum Thema, die ich hier vorstelle, das einzige, das noch im Handel erhältlich ist.
Der Autor st der Berliner Historiker und Privat-Dozent Ernst Piper (Jahrgang 1952).
Ein wenig mehr Tiefgang hätte dem Buch nicht geschadet, jedoch hat der Autor großen Kenntnisreichtum in der philosophischen und kirchenhistorischen Wertung der Figur des Girolamo Savonarola bewießn.
Das Buch ist ein guter Einstieg in die Materie, der aber zu weiteren Recherchen inspirieren sollte.

2. Horst Herrmann "Savonarola - Der Ketzer von San Marco"
(erschienen: [1977] C. Bertelsmann Verlag GmbH München)
ISBN: 3-570-2932-8

Der Titel dieses Buches ist programmatisch. Herrmann bezeichnet Savonarola als Ketzer und hat dafür auch seine guten Gründe. Leider haben die nichts mit der Person des Frate zu tun, sondern einzig und allein mit der Einstellung des Herrn Herrmann gegenüber der katholischen Kirche. Der 1940 in SChruns/Voralberg geborene Professor für Kirchenrecht verließ nach zahlreichen Auseinandersetzungen mit der Katholischen Kirche dieselbe, und er fand in Savonarola einen Kanal für seine Kirchenkritik. Leider ist deshalb in seinem Buch die Biographie des Frate zur Nebensache geworden, zumal Herrmann alles daran setzt, um aus Savonarola einen Vordenker Luthers zu machen, was meiner Ansicht nach mehr als ungerechtfertigt ist. Auch kann man sich beim Lesen des Eindrucks nicht erwehren, Herrmann habe lieber eine Biographie des deutschen Reformators aus Wittemberg geschrieben.
Dennoch kann die Lektüre lohnenswert sein, denn der elegante und eloquente Stil des Autors machen das Lesen angenehm.
Das Buch ist vergriffen, kann jedoch leicht antiquarisch besorgt werden.

3. Pierre Antonetti "Savonarola - Die Biographie" (aus dem Französischen übertragen von Elisabeth Mainberger-Ruh)
(erschienen bei: [2007] Patmos Verlag Gmbh&Co. KG., Düsseldorf)
ISBN: 978-3-491-69145-2

Daß dieses Buch vergriffen ist, ist sehr bedauerlich, denn es ist lesenswert, informativ, gehaltvoll und interessant. Beginnend bei Savonarolas Familiengeschichte entfaltet Antonetti das Leben des Frate mit seinen Höhen und Tiefen. Er versucht nicht, zu psychologisieren. Er ist ein sachlicher, neutraler Beobachter, der von keinen eigenen antiklerikalen Einstellungen behindert wird. Das ist moderne Geschichtsschreibung, wie sie sein soll und muß.
EIn Nachteil ist, daß der Autor recht viel vorausstetzt, was die Kenntnis der italienischen Renaissance betrachtet, aber dem kann man beikommen mit der Lektüre von J. Burckhardts "Die Kultur der Renaissance in Italien".
Und auch viele zeitgenössische Begriffe wie "Arrabiati", "Signoria" oder "Pianoni" läßt er ungeklärt. Aber dadurch regt er den Leser zu weiterer Recherche an; und das kann ja auch so schlecht nicht sein.
Es stört ein wenig, daß Antonetti immer wieder auf die angebliche "ausgesprochene Häßlichkeit" (z.Bsp. S. 20) zu sprechen kommt, der sich der Frate offenbar nicht bewußt war, trat er ohne zu zögern als Prediger vor das Volk. Aber SChönheit liegt, wie es so schön heißt, im vielzitierten Auge des Betrachters.
Antiquarisch sollte das Buch recht einfach zu beschaffen sein, da es erst seit Ende 2009 vergriffen ist. Meiner Ansicht nach ist es das Buch, das am besten zum Einstieg geeignet ist


4. Lauro Martines "Fire in the City - Savonarola and the Struggle for Renaussance Florence"
(Erschienen bei: [2006] Oxford University Press, Oxford, New York)
ISBN: 978-0-532710-6, ca. € 24,99)<

Dieses Buch ist nicht vergriffen, aber nur in englischer Sprache zu haben. Schon aus diesem Grund ist es in unseren Breiten eher für Enthusiasten, als für Einsteiger geeignet.
Allerdings punktet das Buch schon am Anfang mit dem, was bei Antonetti so sehr fehlt. MArtines beginnt sein Buch mit einem Glossar, das sehr hilfreich ist für die weitere Lektüre und das Verständnis.
Der Autor selbst legt sehr viel Wert darauf, keine Biographie geschrieben zu haben, sondern eher eine essayistische Beiographische Betrachtung. Er legt den SChwerpunkt auch auf die florentiner Jahre des Frate. Er läßt es jedoch nicht aus, auch das vorhergehende Leben des Fra Girolamo zu beschreiben.
Er findet einen guten Ausgleich zwischen Beschreibung und Erzählung. Der Stil hat es etwas Romanhaftes an sich. Er erweckt das Florenz des Fra Girolamo zum Leben, und der Leser wird förmlich gefesselt.
Wer sich also von der Fremdsprache nicht abschrecken läßt, findet hier ein sehr gutes Buch, das mehr als nur Geschichtswissen vermittelt.
Dieses Büch ist Übrigens bei Random House unter dem Titel "Sourge and Fire: Savonarola in Renaissance Italy: Savonarola and Renaissance Italy" (ISBN: 978-1844134137)zu dem günstigeren Preis von ca. € 10,99 erschienen.

Dienstag, 11. Mai 2010

Joseph Schnitzer: "SAVONAROLA - Ein Kulturbild aus der Zeit der Renaissance

Im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert wütete die Pest, der Schwarze Tod, in Europa und entvölkertere zahlreiche Landstriche. Für die Menschen, die jenes Elend überstanden, brach eine neue Zeit, eine neue Ordnung der Dinge an. Nichts war mehr, wie es einmal gewesen war. Die Knechte erhoben sich zu Herren, weil ihre Herren nicht mehr am Leben waren.
Und die Überlebenden begriffen sich selbst und das Leben neu. Freude wuchs in ihnen, noch unter der Sonne wandeln zu können, und das spiegelte sich wieder in ihren Taten.
So erhob sich das glanzvolle Zeitalter der Renaissance aus der Todesnacht der Pestilenz.

Mit der Renaissance, die im sonnigen Italien ihren Anfang nahm, änderte sich das Weltbild der Zeit. Der Mensch trat in den Mittelpunkt. Wissenschaft und Forschung trieben erste Blüten, und die Kunst - in Literatur, Musik und Malerei - erhob sich zu selten erreichter Vollkommenheit.
Mit den Worten von Friedrich Engels: "Es war die größte progressive Umwälzung, die die Menschheit bis dahin erlebt hatte, eine Zeit, die Riesen brauchte und Riesen zeugte, Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit." (Engels, 1962, S. 312)

Viele große Namen verbindet man mit jener Epoche abendländischer Geschichte: Leonardo, Michelangelo, Pico della Mirandola, Bottivcelli.
Doch eine Persönlichkeit wird oft verschwiegen, weil sie so anders ist als ihre Zeit, weil sie scheinbar von einem anderen Feuer erleuchtet wird, als die anderen Großen.
Die Rede ist von Girolamo Savonarola. Von vielen seiner Zeitgenossen wurde der Dominikaterpater aus Ferrara, der in Florenz lebte und wirkte, als Heiliger und Prophet verehrt, von anderen wurde er für seine Sittenpredigten und seine politische Agitation verdammt. Am Ende landete er, wie viele seines Geistes, auf dem Scheiterhaufen.

Ein Forscher, der sich mit besonderer Hingabe dem Leben und Wirken Savonarolas gewidmet hat, war der aus Lauingen in Schwaben stammende Kirchenhistoriker Joseph Schnitzer (1859 - 1939).
Seine zweibändige Biographie "Savonarola - Ein Kulturbild aus der Zeit der Renaissance" ist noch immer das umfassendste deutschsprachige Werk zu der Person des Fra Girolamo.

Das Werk ist in zwei Bände unterteilt.
Im ersten Band, überschrieben mit "Das Leben", widmet sich Schnitzer der Biographie des Dominikanerpaters. Mit sehr viel Liebe zu Fakten und Details beschreibt er die Herkunft der Familie Savonarola, die Jugend des Girolamo und wie dieser schließlich den Weg in den Dominikaner-Orden fanden und dort bis zum Prior des florentinischen Konvents von San Marco aufstieg. Er beschreibt seinen Weg zum politischen Agitator, wie sein Einfluß wuchs und unter seiner Führung in Florenz eine neu sittliche Ordnung errichtet wurde. Schließlich beschreibt er seinen Fall und seinen Tod. Dabei erweckt er den Prior von San Marco, den Asketen, den Gläubigen, den frommen Mann und den heißblütigen Prediger, zum Leben. Fasettenreich und stark schildert er Savonarolas Persönlichkeit in ihrer Zeit.
Im zweiten Band, der den Titel "Das Streben" trägt, befaßt sich Schnitzer eingehender mit Savonarolas Werken, mit seinen Predigten, Schriften und Traktaten. Auch hier bleibt er lebensnah und lebendig, und er ergänzt seine Ausführungen mit zahlreichen Betrachtungen über Kunst und Kultur der Renaissance. Nicht zuletzt beschreibt er hier den Einfluß, den der Frate auf seine Zeitgenossen ausübte. Erzählt wird zum Beispiel die Anekdote, daß Savonarola mit einer Predigt den Künstler Michelangelo so verängstigt habe, daß dieser sein Hab und Gut zusammenraffte und aus der Stadt Florenz floh.

Auf der Bühne des Dramas, welches das Leben des Girolamo Savonarola umfaßt, treten all die Großen ihrer Zeit auf, die Medicis, die Borgias. Laster und Tugenden stehen neben einander und schaffen es doch nicht, sich mit einander zu versöhnen.
Und in der Mitte alldessen steht der Frate, der kleine Mönch aus Ferrara, eine "völlig zu Feuer und Flamme gewordene Persönlichkeit" (Burckhardt, 2004, S. 512)
Schnitzer nähert sich ihm mit Wohlwollen, aber ohne ihn zu verklären. Der Savonarola, den er uns in seinem Werk zeigt, ist ein Mensch.

Schnitzers Savonarola-Biographie, die im Jahr 1924 erschienen ist, ist mit Liebe geschrieben. Sie ist umfangreich, detailreich, reich an Fakten und Hintergründen und trotz ihres Alters sehr gut lesbar. Schnitzers Stil ist nicht akademisch-trocken, sondern von nahezu romancierhafter Eleganz.
Leider gibt es von diesem großartigen Werk keinen Nachdruck, dennoch ist es um vieles lesenswerter als anderer, zeitgenössische deutsche Publikationen.

Literatur

Schnitzer, Jakob (1924) Savonarola - Ein Kulturbild aus der Zeit der Renaissance, Band I: Das Leben, Verlag von Ernst Reinhardt, München
Schnitzer, Jakob (1924) Savonarola - Ein Kulturbild aus der Zeit der Renaissance, Band II: Das Streben, Verlag von Ernst Reinhardt, München
Engels, Friedrich (1962)Dialektik der Natur. In: Marx, Karl/Engels, Friedrich (1962) Werke, Band 20, (Karl) Dietz Verlag, Berlin
Burckhardt, Jakob (1924) Die Kultur der Renaissance in Italien - ein Versuch, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg