Rezension „Der Knochenbrecher“ von
Chris Carter
Chris Carter „Knochenbrecher“,
erschienen bei Ullstein Taschenbuchverlag, Mai 2012, 423 Seiten,
übersetzt von Sibylle Uplegger
ISBN: 978-3548284217
Preis: 9,99 Euro
Ein Thriller ist ein bestimmtes Genre
in Literatur und Film. Der Name bedeutet „Spannung“. Es soll eine
Geschichte erzählt werden, die beim Rezipienten derselben eben
dieses Gefühl der Spannung auslöst. Dazu werden bestimmte Techniken
verwendet: Weite Spannungsbögen, besondere Überraschungsmomente in
der Handlung oder Täuschungsmanöver („Red Herrings“).
Der Autor Chris Carter hat das Handwerk
des Thriller-Schreibens gelernt. In seinem Roman „Knochenbrecher“
zieht er alle Register, zeigt alle Spielarten.
Es geht um einen Serienmörder, der
Frauen mit zusammen genähten Mündern und Schamlippen in einsamen
Gebäuden zurück und dem Sterben überlässt. Sie sollen durch eine
Art Selbstzerstörungsmechanismus, den er ihnen in den Unterleib
geschoben hat, ums Leben kommen. Mal ist es eine Bombe, die
allerdings erst bei der Obduktion explodiert, ein andermal ist es
eine Leuchtrakete, die das Opfer von innen verbrennt. Beim dritten
Mal eine Art Messer, daß die junge Frau von innen zerfetzt. Die
Opfer sind alle Künstlerinnen um die Dreißig, die sich auf
frappierende Weise ähneln.
Dr. Robert Hunter, Detective beim
Morddezernat I des LAPD, hat die Aufgabe, den Täter zu fassen. Er
ist hochintelligent und gut ausgebildet. Ein Genie, das unter
Schlaflosigkeit leidet. Und leider aus der Retorte stammt.
Auch die anderen Personen, die in dem
Roman auftauchen, wirken wie Abziehbilder, sind bleich und
gesichtslos, und bei einigen ist auch lange Zeit unklar, ob sie
Männer oder Frauen sind. Sie reden auch viel von ihren Gefühlen,
scheinen aber keine zu besitzen.
In der Tat bleibt alles an der
Oberfläche. Nichts hat Tiefe.
Und natürlich wird auch am Ende die
Chefin von Detective Hunter entführt, so wie es zu sein hat. Und
natürlich geht alles glimpflich aus, nur nicht für die kleine
Privatdetektivin, die erheblich zur Lösung des Falles beiträgt.
Ach ja, Dr. Hunter ist ja ein Profiler.
Das muß man immer wieder erwähnen, weil man es nicht erlebt. So
etwas wie Profiling findet nämlich nicht statt. Und wenn, dann auf
einem Wikipedia-Niveau, daß eines Romans, mit dem sein Urheber
sicherlich sehr, sehr viel Geld verdient, keineswegs gerecht wird.
An dem Buch gibt es nichts
Bemerkenswertes. Man liest es und legt es beiseite. Jede Folge von
„Criminal Minds“ ist spannender.
Denkt man an die Meister des Faches wie
Thomas Harris oder Cody MacFadyan, dann wird die Enttäuschung noch
größer.
Nun, das Buch ist ja nicht unangenehm,
es ist nur von solch absoluter Durchschnittlichkeit, daß es keinen
Eindruck hinterläßt. Man legt es beiseite und denkt nichts. Man ist
unberührt. Man empfindet weder Grauen, angesichts der Verbrechen,
noch Mitleid mit den Opfern. Nichts empfindet man.
Es gelingt dem Roman nicht, lebendige
Bilder im Geist des Lesers zu wecken.
Nun, es mag sein, daß auch dieses Buch
seine Klientel findet – den schlichten Geist, der das Vorhandensein
von Blut und Eingeweiden mit Atmosphäre und schnelle Szenenwechsel
mit Spannung verwechselt.
Aber das ist kein Buch, das bleibt. Man
wird es vergessen. Vielleicht taucht es in ein paar Jahren auf den
Wühltischen auf. Und da gehört es hin.
Ja, vom Niveau und vom Inhalt her habe
ich bei John Sinclaire schon weitaus Beeindruckenderes gelesen.
Zum Schluß noch eine Kritik an der
Übersetzung: Der Titel „Knochenbrecher“ macht keinen Sinn, denn
bis auf das eine Opfer nebst Autopsie-Mannschaft, die von einer Bombe
zerfetzt werden, wobei sicherlich der eine oder andere Knochen zu
Bruch geht, erleidet niemand in diesem Buch einen Knochenbruch.
Der englische Titel „The Night
Stalker“ ist da schon aussagekräftiger. Und dies wiederum macht
Hoffnung, daß das englische Original des Buches möglicherweise auch
stilistisch seiner deutschen Übersetzung überlegen sein könnte.