[Anmerkung: Nur ein gelegentliches Stück, einzig zum Zweck der Unterhaltung geschrieben. Sherlock-Holmes-Fans könnten eventuell ins Schmunzeln kommen. Ilka Lohmann]
Ich
geb es ehrlich zu, mir fehlt zum Schreiben die Geduld, obwohl ich
sehr ausdauernd sein kann. Heute allerdings muß ich zur Feder
greifen, denn es ist nicht zu erwarten, daß mein alter Freund Dr.
Watson selbst den Stift in die Hand nimmt, um diese denkwürdige
Begebenheit niederzuschreiben.
Nun,
dann will ich beginnen.
Ich
hatte einige Wochen auf dem Lande verbracht, um meine Gesundheit zu
befördern und war guter Dinge in die Bakerstreet zurückgekehrt.
Doch schon in der Tür fiel mir auf, daß etwas nicht so war, wie es
sein sollte.
Etwas
stimmte nicht, und wie ich rasch beobachtete, war es Watson. Er
beachtete mich kaum, als ich unser Zimmer betrat, sondern saß in
einer dumpf brütenden Stimmung, die ich an ihm nicht kannte, auf dem
Sofa – den Blick starr auf das Fenster gerichtet.
Als
ich seine Schulter antippte, fuhr er zusammen.
„Ah,
Holmes“, erwiderte er trübselig, „Sie sind wieder da.“
„Allerdings“,
sagte ich und setzte mich zu ihm. Seine Apathie mir gegenüber
verärgerte mich. „Aber Sie sind es offensichtlich nicht ganz. Was
ist denn das für eine Begrüßung.“
„Jaja,
schön, das Sie wieder da sind. Ich hab Sie vermißt wie nur etwas“,
gab er mir lustlos zur Antwort.
Ich
verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich zurück. „Also
gut, Watson, was ist los? Wollen Sie mir antworten oder muß ich die
Kunst der Deduktion an Ihnen ausüben?“
„Bloß
nicht“, antwortete Watson, und begann seine Geschichte zu erzählen.
Es
stellte sich heraus, daß Watson während meiner Abwesenheit einen
Maskenball besucht hatte. Nur der Himmel weiß, wie er auf diese Idee
gekommen ist. Jedenfalls hat er da eine Frau kennengelernt und sich
prompt verliebt. Der arme, treuherzige, rührselige Watson. (Ich
lache, während ich dies schreibe.) Nun plagte ihn großer Schmerz,
denn er wußte rein gar nichts von ihr, kannte weder ihren Namen,
noch ihr Gesicht, da sie eine Maske trug, und also wußte er nicht,
wie er sie wiederfinden sollte. Zumal er auch nicht ein Wort mit ihr
gewechselt hatte.
Ich
schlug mit gespielter Entrüstung die Hände über dem Kopf zusammen.
„Watson, wenn Sie nicht wissen, wie die Dame aussieht und noch
nicht einmal mit ihr gesprochen haben, wie kommen Sie dann darauf,
daß Sie verliebt sind?“
„Liebe
ist eine Energie“, gab Watson zur Antwort. „Sie fragt nicht nach,
sie trifft einen. Aber davon verstehen Sie nichts.“
„Gewiß“,
entgegnete ich. „Vielleicht haben Sie sich ja in das Kleid der Dame
verliebt.“
Watson
warf mir einen zornigen Blick zu.
„Na
gut, na gut“, sagte ich, bereit, um des lieben Friedens willen
einzulenken. „Dann wollen wir doch mal sehen, wie wir Ihre Herzdame
finden können. Wer hat den Ball veranstaltet?“
„Der
Duke of Holderness.“
„Soso.“
Der Duke war mir bekannt. „Dann sollten wir uns an ihn wenden und
ihn um die Gästeliste bitten.“
Als
ich das sagte, ging ein Leuchten über Watsons Gesicht, und mein
Freund grinste sehr einfältig.
Ich
machte mich dann also auf den Weg. Der Duke of Holderness war sehr
kooperativ, und als er von meinem Anliegen erfuhr, gab er mir alle
Unterstützung, die ich brauchte. So hatte ich bald die Identität
der fremden Dame herausgefunden, und ich hatte auch gleich, um Nägel
mit Köpfen zu machen, ein Rendevouz zwischen Watson und ihr
arrangiert. Die beiden sollten sich am Samstagabend im Cafè Royal
treffen.
Weil
mein Freund so nervös war, begleitete ich ihn zu dem Treffen. Er
hatte mindestens einen Zentner Gel in seine Haare geschmiert, und
sich dermaßen mit Parfum eingesprüht, daß selbst ein Stinktier
davongelaufen wäre.
Am
Eingang des Restaurants verabschiedete er sich von mir. „Sitzt auch
alles?“, fragte er und zupfte nervös an seiner Krawatte.
„Ja
doch“, sagte ich und wischte noch ein Stäubchen von dem Kragen
seines Jacketts.
Dann
betrat Watson das Restaurant. Ich wartete vor der Tür. Zu gern hätte
ich ihn begleitet, denn ich wußte, was für eine Überraschung dort
seiner harrte.
Es
dauerte auch nicht lange, da kam Watson wieder heraus. Nun, er kam
nicht. Er rannte. Er preschte mir entgegen mit der Energie einer
mittleren Dampfmaschine. Er prallte mit mir, der ich noch an der Tür
stand, zusammen. Und danach wurde es dunkel.
Als
ich wieder aufwachte, lag ich im London Brigde Hospital. Watson saß
an meinem Bett und machte sich schwere Vorwürfe. Immer wieder
beteuerte er, wie leid es ihm tat, daß er mich umgestoßen und mich
dann die Kutsche beinahe überfahren hatte.
„Nicht
der Rede wert“, sagte ich. „Immerhin lebe ich noch. Und Sie waren
auch ein wenig außer sich.“
„Allerdings“,
meinte Watson und senkte betrübt den Kopf. „Warum haben Sie mir
nicht gesagt, daß die Dame der Sohn des Dukes in einem Kleid seiner
Mutter war?“
Ich
seufzte. In der Tat war es mir nicht in den Sinn gekommen, meinem
Freund einfach die Wahrheit über seine Angebetete zu sagen. So
erwiderte ich einfach: „Watson, weil ich ein schlechter Mensch
bin.“