Dienstag, 26. Juni 2012

Der Neuschwanstein-Kot Oder: Was dabei herauskommt, wenn man nur mit Wikipedia recherchiert und den Rest dazuphantasiert


Rezension zu Arno Loeb (2012) Der Neuschwanstein-Code
Erschienen bei Unsichtbarverlag, Dietdorf, ISBN 978-3-94920-4
Preis: 12,95 Euro



Wer sich schon einmal mit dem Verlagswesen befasst hat und selbst schreibt, der stellt sich und Verlegern immer wieder einen Frage: Wie muß ein Manuskript sein, damit es veröffentlicht wird.
Man bekommt dann viele kluge und nichtssagende Antworten. Es müsse ansprechend sein, es müsse in die Verlagsphilosphie passen, es müsse gut gemacht sein, gute Sprache, gute handwerkliche Arbeit. Und dann der Spruch: Ein gutes Manuskript wird auch seinen Verlag finden.

Es gibt jetzt eine neue Linie für Normalnull in der Qualität eines Romanmanuskripts. Festgelegt und beinahe sogar noch selbst unterboten hat sie der Autor und Tausendsassa Arno Loeb mit seinem „Roman“ „Der Neuschwanstein-Code“.
Auf fast 400 Seiten entwickelt der Verfasser eine Geschichte, die an Hirnrissigkeit, Zusammenhanglosigkeit und Imbezilität kaum zu überbieten ist.
Das fängt schon bei den Figuren an.
Heldin ist eine Amerikanerin, die auf Schloß Neuschwanstein als Fremdenführerin arbeitet. Leider ist sie mental etwas minderbemittelt, was sich zum Beispiel darin äußert, daß sie kein Englisch kann. So muß sie beispielsweise erst von einer japanischen Manga-Zeichnerin die wahre Bedeutung des Wortes „horny“ erfahren. Außerdem ist sie ein sehr schlichtes Gemüt und nur zu wenig rationalen Überlegungen fähig.
Die Manga-Zeichnerin ist eine von drei Japanern in der Geschichte, die anderen beiden, ihre Bruder und ihr Vater, sind – natürlich, möchte man fast schreien! – Sushi-Koch und Karate-Meister. (Vielleicht hat sie noch einen zweiten Bruder, der Ninja ist und deshalb nicht in der Handlung auftaucht.) Mit dem Karate-Meister fängt die Fremdenführerin dann auch – wieder möchte man „natürlich!“ schreien – etwas an.
Es gibt dann noch einen schrulligen Polizisten und einen kauzigen Erfinder und natürlich jede Menge homosexuelle Randfiguren. Muß ja auch so sein, denn immerhin war Ludwig II. schwul und hatte sonst nicht viel, um eine Persönlichkeit zu entwickeln.
Und es gibt auch einen Schurken, dem eine nordische Walküre zur Seite steht.
Also die Zahl der schwachsinnigen, halbentwickelten Charaktere in diesem Buch ist Legion.

Kurz zur Handlung:
Ludwig der II. habt beim Bau von Neuschwanstein den Schatz der Nibelungen gefunden und unter dem Schloß versteckt. Damit das Versteck geheim bleibt, hat er die Information mit Friedrich Nietzsche und Richard Wagner geteilt. Alle drei hatten den Teil eines Rätsels, das zusammengesetzt die Lage des Schatzes verraten sollte.
Diese Rätselteile tauchen nun wieder auf, und natürlich wollen alle den Schatz haben.
Die Jagd führt durch ganz Europa. Man schändet Cosima Wagners Grab, und als man am Ende in der Schatzhöhle zusammenkommt, ist der ganze Schatz schon weg. Der wahnwitzige Erfinder hat den Schatz auch ohne Rätsel gefunden und ihn benutzt, um seine Forschung voranzutreiben, z.B. um ein U-Boot zu bauen, mit dem er im Starnberger See herumfahren kann.

An dieser Stelle möchte ich einen Absatz aus dem Buch zitieren, um ein Beispiel für die wirre Sprache, in der es abgefasst ist, zu geben:
Sie zog den Tarnmantel, den ihr Bruno umgeworfen hatte, eng an sich. Komischerweise fiel ihr jetzt ein, dass ihr Bruno erklärt hatte, er vermutete, dass dieser Sternenstaub die herumwirbelnden Atome von Materien so anordnete, dass ein menschliches Auge genau durch die Zwischenräume der Atome blickte, wodurch der Unsichtbarkeits-Effekt entstand. Allerdings wirkte der Tarnmantel nur in einem Umkreis von höchstens fünfzig Zentimetern, meistens weniger. Und am besten in Verbindung mit der Körperwärme von Menschen. Das war ein Problem für große und dicke Menschen, hatte Bruno geschildert. Die wurden nicht ganz unsichtbar. Weil der Tarnmantel von allem Seiten wirkte, konnten Menschen  mit einem Durchmesser von einem Meter problemlos unsichtbar werden[1]. Walle schlich sich hinter die Statue des Flöten spielenden Krishna.“ (S. 361)
In dieser Sprache ist das ganze Buch abgefasst. Es ist deshalb sehr schwer zu lesen,

Man merkt: Der Autor will „abgefahren“ schreiben, was immer das bedeuten mag. Deshalb spielt auch eine Gothic-Band eine Rolle, tauchen schwule Mangas auf und hat jeder ein iPhone[2].
„Der Neuschwanstein-Code“ ist kein gutes Buch, um Zeit damit zu verbringen, einfach weil es kein gutes Buch ist.
Nichts an diesem Buch ist interessant. Die Figuren sind blaß, dümmlich und voll von Klischees. Die Handlung ist so wirr, daß ihr noch nicht einmal der Verfasser selbst folgen konnte. Die Sprache ist schlimm. Obendrein ist das Buch sehr schlecht lektoriert, voller Druckfehler und grammatischer Fehler.
Das ist sehr bedauerlich, denn man hätte viel machen können aus der Geschichte. Aber dazu hätte es Gewissenhaftigkeit und einer gewissen Bemühung seitens des Autors bedurft, die dieser leider nicht zu invenstieren bereit war.
Schade.
Eine Chance auf ein spannendes Buch vertan.

Ich rate von der Lektüre ab.

http://shop.unsichtbar-verlag.de/product_info.php?products_id=28




[1] Anmerkung: Nur um mal die Rechnung nachzuvollziehen… Ein Mensch mit einem Durchmesser von einem Meter hat einen Umfang von über drei Metern. Also „dick“ muß da schon „seeeeehr dick“ sein. Interessant wäre allerdings, was man sehen würde, wenn so ein Mensch den oben beschriebenen Tarnmantel trüge. Vermutlich seine Innereien. Also, wenn Ihnen mal ein einsamer Verdauungstrakt entgegen kommt, dann ist das vermutlich ein sehr, sehr dicker Mensch mit Tarnmantel.
[2] Hoffentlich bekommt Herr Loeb dafür einen kleinen Bonus von Apple.

8 Kommentare:

  1. ich persönlich habe das buch nicht sooo schlimm gefunden, wie du es hier beschreibst. klar es ist nicht das beste buch, aber es ist ein kleiner verlag und ein angehender autor, man sollte allem seine chance geben. vor allem finde ich, dass die von dir geübte kritik nicht gerade recht seriös wirkt... mag so viel wahrer kern drin stecken, wie er will - aber so respektlos über etwas zu schimpfen und es herunter zu ziehen bzw sich drüber lustig zu machen, als einfach nur objektiv zu sein... naja das schafft so seinen eindruck, sage ich mal.

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    1. Auch ein kleiner Verlag (ich gehöre selbst zu einem) kann ein ordentliches Lektorat und Korrektorat bieten.

      Und auch eine Rezension darf mal "bissig" sein, wenn das Buch so ein Murks ist ...

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  2. Liebe Sunochan! Danke für deinen Kommentar! Es freut mich, daß du ein Buch gefunden hast, das dir gefällt. Da wünsche ich dir viel Spaß damit. Jeder hat eben seine Vorlieben und seinen Geschmack. Du kannst ja deine eigene Rezension verfassen. Das wird den Autor sicher sehr freuen. Der hat mir übrigens versichert, daß er mit der meinigen sehr gut leben kann. Ist ja nur eine Rezension in einem kleine Blog. Ein kleiner Verriß, davon geht keine Welt unter.

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    1. sagt ja keiner, ich fand es nur nicht sehr seriös ;) und eine rezension von mir selbst gibt es :P :D

      lg

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    2. Na, das ist doch exzellent!

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  3. Hach, ich musste grad lachen :D Ich hab mich durch das Buch gequält, aber vor lauter besch***ener Rechtschreibung, den schlimmen Stil beiseite gedrängt und mir irgendwann auch keine Gedanken mehr über die Logik gemacht, ich wollte nur noch fertig werden^^ Was ich schade finde ist, dass die Idee gar nicht so uncool ist und ich den Autor recht sympathisch finde... das Schreiben sollte er vielleicht lassen... weiß ja auch nicht. Auf jeden Fall lese ich in deiner, etwas wütenden, Rezension das, was ich in erster Version ähnlich geschrieben, aber überarbeitet habe... Aber jetzt mal eine inhaltliche Frage: hast du des Erfinders Tod auch gelesen? Und warst irritiert ihn im letzten Kapitel nebst Katze quietschfidel anzutreffen? Oder ist mir das was entgangen von wegen Errettung? :D
    Liebe Grüße,
    Alice

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  4. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  5. ...ich stelle mir die Frage, wie ich so ein Buch überhaupt weiterlesen kann! Das ist doch restlos vertane Zeit. Das ist eben eines dieser Bücher, die man nicht einmal verschenken kann... man sollte es einfach in den Müll werfen.

    Solche Machwerke gibt es Abertausende und man hat nur Pech, wenn man dafür auch noch Geld ausgegeben hat.
    Dass Du Dir die Zeit nimmst, dieses Opus zu besprechen, liebe Ilka, das bewundere ich wirklich -
    Beim ersten Betrachten der Handlung, wie du sie beschreibst, dachte ich, es sei doch vielleicht recht lustig, aber die Lustigkeit hört wirklich bei der Sprache auf, und da wird einem nur noch schlecht.

    übrigens: zum Byron - es muss heißen Stanza 84 ! Das Gästebuch ließ keinen zweiten Eintrag zu, drum erwähne ich es noch einmal hier.

    Frohes Schaffen
    und da es ja so viele gute Bücher gibt - wird es auch wieder eine seelen- und herzerquickende Lektüre geben...

    Liebe Grüße
    GAbriele

    A thousand years scarce serve to form a state:
    An hour may lay it in the dust.

    Stanza 84.

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