Samstag, 24. Dezember 2011

WEIHNACHTSGRUSS 2011




Und eine Zeit wird kommen,
in der wir selbst
zu leuchten beginnen.

Unsere Lieder,
unsere Tränen
werden Sterne sein.

Groß werden wir singen
Über der Asche
Dem Eis
Und dem Dunkel

Und Blumen wachsen lassen,
wo unser Blut
die Erde berührt.




Montag, 19. Dezember 2011

GEGEN DEN PAPST - MIT DEM ÜBLICHEN PATHOS


Rezension: Rudolf Lill „Die Macht der Päpste“
erschienen bei Butzon&Becker GmbH, Kevelaer, im November 2011
ISBN: 978-3-7666-4147-2
EPUB ISBN 978-3-7666-4148-9
Preis: 19,95 Euro


Papst ist immer gefragt. Seit Benedikt XVI. auf dem Stuhle Petri sitzt, ist das ein Thema, dem gewißlich Aufmerksamkeit entgegengebracht werden wird. War kurz nach der wahl des deutschen Kardinals Josef Ratzinger zum Pontifex Maximus noch die Stimmung groß und voller Jubel, so ist die Freude der Deutschen an „ihrem“ Papst doch in den letzten Jahren merklich abgekühlt. Nach den Augenblicken patriotischer Freude wurde den Menschen mit einem Male wieder bewußt: Die katholische Kirche ist kein Platz der leichtfertigen Ausgelassenheit, sondern vielmehr eine alt-ehrwürdige Institution, mit Regeln, Dogmenund Traditionen, deren Sinn sich Außenstehenden oft nicht erschließt, und Benedikt XVI. ist kein Spaßpapst, sondern ein ernsthafter, tiefgründiger Theologe.
Nicht erst seit dem Papstbesuch im vergangenen September ist Kritik an der Katholischen Kirche en vouge. Freilich wird sie von sehr unterschiedlichen Quellen hervorgebracht, und die Spannbreite geht von „Alle katholischen Priester sind Kinderschänder“ über „Die katholische Kirche ist schuld an den Kreuzzügen“ bis hin zu ernsthaften Debatten über die Transsubstationslehre, die Interkommunion und die Bedeutung der wahren Nachfolge Christi.
Rudolf Lill ist eine der ernster zu nehmenden Quellen. Auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung allerdings versinkt er mit seinem Buch „Die Macht der Päpste“ im Mittelmaß der „Papstkritikerszene“.
Dabei ist der Ansatz dieses Buches durchaus vielversprechend. Lill will beweisen, daß die Macht der Päpste, die er „absolutistisch“ nennt, nicht auf der langen Kirchentradition fußt, die Vatikan und Kurie für sich in Anspruch nehmen, sondern „nur“ auf das 12./13. Jahrhundert zurückgeht und in ihrer zeitgenössischen Form mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zementiert wurde.
Lill bedient sich des typischen Papstkritiker-Jargons. Und er schreibt mit sehr viel Sachverstand und Detailwissen. Leider ist es ein wenig zu viel Detailwissen, denn es ist unzusammenhängend aufbereitet. Immer wieder vollzieht der Autor Zeitsprünge. Eben noch ist er in der Zeit der Rennaissance angekommen, und einen Absatz weiter beginnt er mit dem 2. Vatikanum. Damit ist das Buch für einen interessierten Laien kaum zugänglich.
Die Geschichte des Papsttums wird so erzählt, als sei der Papst immer der Antiheld, der Schurke der Kirchengeschichte, und immer wieder wird eine Dichotomie, eine Gegnerschaft von Papst und Kirche angedeutet.
Auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist das Buch schwierig gestalte. Endlose, kaum zu rezopierende Fußnoten machen den Anhang aus. Die Quellenangaben sind unzureichend. Ein Personenregister sucht man ebenso vergeblich wie die Literaturliste.
Dabei ist das Buch sehr lautstark. Es hat viel Inhalt, aber leider nur wenig Gehalt. Und der Titel spiegelt nicht den Inhalt wieder. Es geht nicht um die Macht der Päpste, sondern letztlich nur um eine Geschichte der Päpste seit 1800. Zudem fehlt dem Buch die Sachlichkeit.
Einen Bonus allerdings, und das sind Exkurse, die zwischen die einzelnen Kapitel gesetzt sind und sich mit dem Konklave, Bischof Levebre und der Pius-Bruderschaft befassen. Gleiches gilt für die Kurzbiographien der Päpste von Pius dem VII. bis hin zu Benedikt dem XVI. .
Das Buch „Die Macht der Päpste“ ist nicht empfehlenswert. Anhand der Biographien dieser Männer wird nicht nur der Wandel des Konzepts „Papst“ per se deutlich, sondern auch der gesellschaftliche Wandel, der sich in dieser Zeit in Europa und auch in der katholischen Kirche vollzogen hat.
Nur der durchschnittliche Papst- und Kirchenkritiker wird sich in dieser parteiisch gefärbten, und damit bedauerlicherweise unzulänglichen Pseudo-Geschichtsschreibung verstanden fühlen und bestätigt finden. 


http://www.butzon-bercker.de/



LUTHER, QUO VADIS?


Felix Leibrock: „Lutherleben – ein Reformationsroman

 erschienen 2011, Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Petersberg
ISBN:  978-3865686329
Preis: 9,95 Euro


Stellen Sie sich vor, Sie haben einen schweren Unfall. Ihr Gehirn ist in Mitleidenschaft gezogen worden und Sie fallen ins Koma. Als sie erwachen, haben Sie gänzlich Ihre Persönlichkeit vergessen. Die Menschen, die ihnen zuvor noch nahe standen, sind nun Fremde für Sie und Sie sind fest davon überzeugt, jemand völlig anderes zu sein – z.B. Martin Luther.
Dieses Schicksal widerfährt Wolfgang Trödler, dem Hausmeister eines Camping-Platzes in der sachsen-anhaltinischen Provinz. Und mit seiner neugewonnenen Identität schafft Wolle Luther, wie der von dem Unfall Genesene nun allgemein genannt wird, auch gleich Tatsachen. Er schnappt sich sein Akkordeon und schlägt sich als Straßenmusiker durchs Land. Mit der Bahn reißt er von einem Lutherort zum anderen, sorgt auch für Aufsehen in den Medien und gewinnt bald sogar Jünger. All dies tut er mit einem Ziel: Er will die Kirche aufs Neue reformieren. Vor allem sucht er nach dem Böhmischen Kelch, jenen Kelch, mit dem Jan Hus das Abendmahl in beiderlei Gestalt unter seinen Anhängern verteilte. In Augburg, Worms, Eisenach und Erfurt hofft er, die Erinnerung daran wiederzufinden, wo er einst diese heilige Reliquie versteckt haben könnte. Er will den Kelch nicht nur finden, er hofft, daß mit diesem Kelch im Jahre 2017 ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Evangelischen gefeiert werden könne, um die Spaltung dieser beiden christlichen Kirchen zu überwinden.
Und während Wolle durch die Lande tingelt, macht sich Sabine Harder, die Wolle als Klinikseelsorgerin während dessen Reha-Kur kennengelernt hat, ihrerseits auf eine Suche. Sie will die Vergangenheit von Wolfgang Trödler aufdecken.
Beide werden fündig. Wolle findet den Böhmischen Kelch vergraben im Garten des Augustinerklosters zu Erfurt.
Pastorin Harder findet einen ehemaligen Studienfreund von Wolfgang Trödler und erfährt, daß dieser sich schon als junger Mann mit der Geschichte der Reformation befasst und sogar versucht hat, selbst evangelischer Pfarrer zu werden.
Nun, das ist das Buch. Sein Inhalt ist schnell erzählt, und um es zu lesen, braucht auch ein schlichtes Gemüt nur zwei Nachmittage.
Stilistisch ist dem Buch nicht allzu viel abzugewinnen. Wer gut geschriebene Literatur sucht, wird von „Lutherleben“ gewißlich enttäuscht sein.
Schon die Hauptfigur, Wolle Luther, bleibt ein Unsympath. Ein Egomane, der auf sein Charisma einsetzt, Menschen bewußt belügt und manipuliert, um seine Ziele durchzusetzen, und der seine „Jünger“ wie dumme Kinder und Untergebene behandelt. So ist er persönlich beleidigt, als eine Taube das Lutherdenkmal in Worms besudelt. An einer anderen Stelle redet er einem Architekten ein, er sänge für die Verständigung der Katholiken und Evangelischen in Kalifornien, während er in Wahrheit nur deshalb auf diesem Platz Musik macht, um genug Geld zu verdienen, mit dem er seine Hotelrechnung begleichen kann. Gleichzeitig geht es Wolle immer noch um die Sache der Kirchen. Und irgendwie scheint ihm gar nichts recht zu sein. Auch wenn er selbst immer wieder „Eine feste Burg ist unser Gott“ auf dem Akkordeon zum besten gibt, kreidet er es anderen Pastoren an, wenn sie die „alten Lieder“ die so „schwierig und fremd“ (S. 39) waren, singen ließen und freut sich, wenn in einem anderen Gottesdienst neues geistliches Liedgut zum Einsatz kommt. Und er beklagt, daß die Kirche der Gegenwart zu sehr auf die Vernunft und zu wenig auf das Gemüt des Menschen ausgerichtet sei.
Gott sei ein Backofen voller Liebe, so läßt der Autor seinen Helden Wolle räsonieren, während er in der Lutherkirche zu Apolda sitzt und vor sich hinträumt. Diesem Ort wird ein unangemessen großer Platz in dem schmalen Band eingeräumt, was sicher der Tatsache zu schulden ist, daß der Verfasser Pfarrer in Apolda ist. So ist denn auch bei der großen Schlussszene, als Wolle endlich den Böhmischen Kelch gefunden hat, neben der Klinikseelsorgerin Frau Harder und ihrem katholischen Kollegen auch noch ein namenloser Mann aus Apolda zugegen.
Eine der Botschaften des Buches: Wenn bis 2017 nicht die Interkommunion eingeführt und die Trennung von katholischer und evangelischer Kirche aufgehoben ist, dann wird beides niemals geschehen. Und diese vereinte Kirche muß eine Kirche für das Gemüt sein, eine Kirche der Emotionen, eine zeitgemäße Kirche mit flapsigen Predigten und neuen Liedern. Eine Kirche ganz nach der Vorstellung von Wolle Luther.
Das Buch erhebt den Anspruch, ein Reformationsroman zu sein. Auf leichte und „humorvolle“ Art soll Lesern, auch jungen Lesern, die Geschichte der Reformation nahe gebracht werden.
Das mag man sehen, wie man will. Nach Einschätzung der Rezensentin hat der Wikipedia-Artikel zu diesem Thema weitaus mehr zu bieten als Leibrocks Reformationsroman. Und gerade für die Jugend gibt es qualitativ weitaus bessere Bücher. Beispielsweise das Jugendbuch „Bruder Martinus“ von Hans Bentzien.
Ein weiteres Negativum des Buches ist sein Zeitbezug. Durch viele Hinweise auf Ereignisse der Zeitgeschichte kann der Leser des Jahres 2011 das Buch gut zeitlich verorten. Diese Hinweise betreffen unter anderem den „Skandal“ um Bischof Mixa und den Sieg von Lena Meyer-Landruth im Eurovision Song Contest. Allerdings erreicht das Buch damit den Eindruck, sich beim Leser anbiedern zu wollen. Zum anderen wird es zu einem Wegwerfprodukt. Man spürt beim Lesen: Spätestens im Jahre 2018 wird dieses Buch nicht mehr das Papier wert sein, auf das es gedruckt ist.
Auch in dem etwas bemühten und eher schlichten Humor schreit das Buch geradezu danach, dem Leser nicht zu gefallen, aber gefällig zu sein.
Und die Art und Weise, wie der Autor versucht, den Dialekt einiger Menschen humorvoll zu kolportieren, wirkt leicht überheblich.
Das Buch „Lutherleben“ nimmt für sich in Anspruch, ein Reformationsroman zu sein. Ein Anspruch, dem es nur schwerlich gerecht wird. Sicher ist die Frage interessant, wie der Reformator und Theologe in der heutigen Zeit die Fragen von Kirche, Kirchenspaltung, Interkommunion und Gesellschaft beantworten und betrachten würde. Nur denke ich, daß die Umsetzung durch Herrn Pfarrer Leibrock vieles offen läßt und ein gefärbtes, einseitiges Bild des Doktor Martin Luther zeichnet. Sicher geht ein Autor immer über Eis, wenn er sich der Herausforderung einer Persönlichkeit von historischer Bedeutung stellt, wie man an dem vorliegenden Roman sehen kann.
Die Epoche der Reformation war eine der großen Zeiten, und die Bedeutung Luther für die Geschichte Europas darf nicht unterschätzt werden. Ohne die Reformation wäre auch die katholische Kirche nicht das, was sie ist. Das Tridentinum, das 2. Vatikanische Konzil hätte es nie gegeben. Die Aufklärung, ja, die Säkularisierung von Lehre und Wissenschaft wäre nicht dem Maße, wie unsere Gesellschaft es in den letzten 400 Jahren erlebt hat, zustande gekommen.
Leider erfahren wir in Leibrocks Roman nichts von alledem.
Das Buch wurde nur aus einem Grund geschrieben: Als Werbebroschüre für das Lutherjahr 2017. Es ist ein Buch, das nur seichte Gemüter unterhält, stilistisch einfallslos und geschrieben ohne Mühe. Ein Buch, das man getrost im Regal stehen lassen kann.
Nur am Rande soll erwähnt sein, daß Herr Leibrock in der Bezugnahme auf Wolle Luthers neuropathologischen Status den Begriff „multiple Persönlichkeitsstörung“ verwendet, einen Begriff, den Psychiatrie und klinische Psychologie schon lange auf den Müllhaufen ihrer Geschichte geworfen haben. Der korrekte Terminus lautet „Dissoziative Identitätsstörung“. 



Der Artikel erschien zum ersten Mal auf der Seite www.freigeist-weimar.de

Freitag, 2. Dezember 2011

Lesung: EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE von Charles Dickens



Jeder kennt die Geschichte von Ebenezer Scrooge, dem alten Geizhals, der in der Nacht von drei Geistern besucht wird, die ihn mit sich selbst konfrontieren.
Dickens schrieb diese Geschichte im Jahre 1843, im Alter von 31 Jahren. Und er schuf damit mehr, als eine Geschich...te. Unzählige Adaptionen und Varianten gibt es in der Zwischenzeit. Daran erkennt man große Literatur. Daran erkennt man die großen, die wirklichen Geschichten.
Doch die Geschichte über Ebenezer Scrooge hat es gar nicht nötig, neu erzählt zu werden. Das Original ist immer noch besser als all die mittelmäßigen Kopien.

"Eine Weihnachtsgeschichte" ist nicht nur eine Geschichte, die einfach in die Weihachtszeit paßt. Es ist eine Geschichte, die in unsere Zeit, in der das System des grenzenlosen Kapitalismus zusammenzubrechen droht, paßt.
Und es ist zugleich eine Einstimmung auf das Jahr 2012, in dem wir den 100. Geburtstag des großen europäischen Schriftstellers Charles Dickens zelebrieren.

Es liest Ilka Lohmann