Dienstag, 2. Oktober 2012

DER GOETHE&SCHILLER-PAKT - Zeitreise in die Freundschaft

Hörbuch von Frederik Beyer und Mark Pohl
Nach dem gleichnamigen Schauspiel von Michael Kliefert
Erschienen bei Wolf Productions 2012
(Rezension von Ilka Lohmann)

So jung ist das Medium Hörbuch nicht mehr. Inzwischen ist es Standard, daß Hörbücher zeitgleich mit ihren papiernen Geschwistern veröffentlicht werden. Der dritte Weg der literarischen Publikation – neben dem E-Book.
Während aber auf der einen Seite von gewissen Kreisen schon das Ende des Buches aus Papier und Leinen lauthals verkündet wird, bleibt das Hörbuch, wenn es nichts weiter als einen Vortrag eines textlichen Corpus enthält, weit unter seinen Möglichkeiten.
Wie man es anders und besser machen kann, zeigt das Hörbuch „Der Goethe-und-Schiller-Pakt“, gelesen von Frederik Beyer und Mark Pohl, nach einem gleichnamigen Theaterstück von Michael Kliefert.

Die beiden Schauspieler Beyer und Pohl, beide aus Weimar, standen mit diesem Stück lange auf der Bühne. Nachdem es im letzten Jahr vom Spielplan genommen wurde, beschlossen beide, einen anderen Weg zu finden, um diesem Stück weiterhin Leben und Aufführung zu geben und es für Menschen auf andere Weise, auch jenseits der Theaterräume, erlebbar zu machen. So stießen sie auf das Medium des Hörbuches.

Im Stück, auf dem Hörbuch dialogisch vorgetragen, wird die Geschichte der Dichterfreundschaft zwischen Johann Wolfgang Goethe (Frederik Beyer) und Friedrich Schiller (Mark Pohl) vorgetragen.
Der Hörer kann den Weg, den beide Freunde mit einander unternahmen, mit verfolgen. Die Freuden und Leiden, die Anteilnahme. Man erlebt die beiden Dichter, wie sie an ihren Balladen schreiben und verzweifeln, wie sich gegenseitig Halt und Unterstützung geben auf den steinigen Pfaden der klassischen Literatur. Und am Ende Schmerz und Tod. Das Leben als Schauspiel, als Bühne, als Drama.
Heiter geht es zu, wenn die Dichter ihre Xenien rezitieren. Trauriger, berührend, nahegehend wird es, wenn Schiller stirbt – zu jung.
Sehr schön und befreiend für den Hörer ist dabei, daß hier nicht zwei Heroen der Literatur auf ein Marmorpodest gehoben werden, sondern es zwei Menschen sind, die mit einander leben und reden und arbeiten. Und man kann erleben, wie Literatur entsteht, daß es immer Arbeit ist und das selbst solche Geister, die von der Nachwelt groß gemacht worden sind, an ihren Sätzen und Formulieren schier verzweifeln wollen, so wie Schiller am Wallenstein.

Kunst kann Türen öffnen, wenn auch nur einen Spalt breit. Und auch wenn es nur Fiktion ist, was Literatur uns gibt, so schafft sie doch, das, was keiner mehr weiß, keiner mehr wissen kann, weil er es nicht erlebt hat, in Bilder, in Bewegung, in Wirklichkeit zu verpacken. Genau das gelingt auch diesem Stück. Man bleibt doch, selbst wenn man Biographien liest, Gräber besucht und ehemalige Wohnhäuser durchwandert, immer nur an der Außenseite der Geschichte kleben – wie eine Fliege an der Fensterseite.
Aber historische Fiktion kann diese Scheibe durchdringen.
Kliefert hat Goethe und Schiller aus ihren Gräbern geholt, Pohl und Beyer haben ihnen Leben eingehaucht, und man meint, zumindest durch ein Schlüsselloch darauf zu blicken, wie es wirklich war, wie es wirklich hätte sein können in dieser Dichterfreundschaft, die so sehr von Legende und Wirklichkeit – um nicht zu sagen: von „Dichtung und Wahrheit“ - durchdrungen ist, daß es schwer ist, das eine von dem anderen zu unterscheiden.
Aber in der Kunst muß das nicht sein. Literatur und Theater haben ihre eigene Wahrheit.

Mit dem Hörbuch „Der Goethe-und-Schiller-Pakt“ ist ein spannendes Experiment gelungen – Theater auf CD zu bannen – von den Dimensionen der sinnlichen Wirklichkeit reduziert auf den reinen Klang. Der Vortrag von Beyer und Pohl tut das seinige dazu. Nuanciert, lebendig. Beide haben eine stimmliche Meisterleistung vollbracht. Ja, ihr Vortrag läßt ihre körperliche Abwesenheit vergessen. Die Bilder, die nötig sind, finden sich wie von selbst vor dem inneren Auge ein. Eine Zeitreise in Hörbuchform.
Nicht zuletzt etwas, das man so manchen „DeutschlehrerInnen“ nahe legen sollte, damit die nicht vergessen, daß hinter dem, was man immer als so groß und hehr und edel darstellen möchte, Menschen steckten, die aus Fleisch und Blut waren und sich in den Grundlegungen ihres Leben gar nicht so sehr von uns unterschieden.

  





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