Samstag, 6. Februar 2010

Mein Weg zu Gott - unfinished

Mein Glauben spielt in meinem Leben eine große Rolle. So war es von Kindheit an. Dabei war mir der Glaube nie irgend eine politische Bekundung, sondern mehr eine Vergewisserung meiner selbst. Es war und ist mein Refugium, mein Fluchtpunkt, mein Ort der Kraft, mein Geheimer Garten. Wo immer ich auch war in meinem Leben, und was immer ich erlebt habe, ich konnte mich immer an Gott wenden und Trost finden.

Hier habe ich viel meinem Vater Georg Lohmann zu verdanken, der mich an die Lektüre der Bibel herangeführt hat. Es begann damit, daß er meiner Schwester und mir die Geschichten aus dem Neuen und Alten Testtament vor dem Einschlafen vorgelesen hat.
Am liebsten mochte ich die Gleichnisse, in denen Christus zu seinen Jüngern sprach. Ich spürte die Weisheit dieser Worte, und es war, als spräche Christus geradewegs zu mir.
Ich möchte aber festhalten, daß es nicht das Ziel meines Vaters war, mich vom christlichen Glauben zu überzeugen. Meine Familie ist an sich nicht so christlich eingestellt. Er wollte mich in erster Linie mit dem Christentum als einer Grundlage unserer abendländischen Kultur vertraut machen. Und das ist ein großer Schatz, den ich sehr hege und pflege.
(Anmerkung: Man stelle sich einen Menschen vor, für den das Christentum mit all seinen Legenden, Geschichten, Bildern und Bräuchen ein Buch mit Sieben Sigeln sei. Erst einmal würde diese Person diese Metapher gar nicht verstehen. Zweitens stünde diese Person vollkommen ratlos vor den Kunstwerken von Dürer, Leonardo oder Gründwald und wüßte nichts mit Rilkes "Marienleben" oder "Stundenbuch" anzufangen.)

Zum Glauben kam ich dann von allein. Ganz selbstverständlich ging ich zur Christenlehre, und ich fing auch sehr früh an, in die Kirche zu gehen. Ich ging allein. Meine Eltern waren aus der Kirche ausgetreten, mein Großvater hatte, nach eigener Aussage, nicht viel mit der Kirche am Hut, und meine Großmütter gingen auch nicht zum Gottesdienst.
Aber ich liebte es.
In unserem Dorf fand der Gottesdienst in einem zweiwöchentlichen Intervall statt. Für mich war es einfach großartig. Ich weiß nicht, was es war. War es die Liturgie? Waren es die Lieder? War es die Predigt? War es die Teilhabe an einer heiligen Handlung? Wenn ich die Kirche verließ, war mir jedesmal, als würde ich schweben, als wandelte ich im reinsten Licht. Mein Herz und meine Seele waren froh und leicht.
Anders war es nur an den Karfreitagen. Da war ich traurig und weinte still über das Leid und den Tod Christi, der auch für meine Sünden gestorben war.

Vielleicht sollte ich erwähnen, daß es zu jener Zeit - lange vor der Wende - nicht gerade un problematisch war, sich so offen zur Kirche zu bekennen. In meiner Schule war es schon ein Stigma, ein Christenlehrekind zu sein.
Aber mir machte das nichts aus. Es half mir vielmehr, meinen Glauben zu stärken.
"Selig seid ihr, wenn ihr um meines Namens willen verfolgt werdet." Dies waren die Worte Jesu Christi. Sie gaben mir eine unglaubliche Kraft, und ich weiß genau, damals hätte ich um nichts in der Welt meinem Glauben entsagt. Gerade durch diese von mir empfundene Verfolgung als Christin konnte ich mich meines Glaubens vergewissern, denn dadurch wurde ich selig, und ich wußte, daß der Segen Gottes auf mir lag.

Später faßte ich sogar den Plan, Theologie zu studieren und Pastorin zu werden. Ich habe diesen nicht verwirklicht. Und zum Teil war das gut so für mich. Denn das war nicht der Weg, der für mich vorgesehen war.

Meine Familie war, wie bereits erwähnt, nicht besonders religiös. Eigentlich war sie überhaupt nicht nervös. Einige grundlegenden Empfindungen schlugen sich nieder in einer Vorliebe für Kirchenmusik und die Architektur sakraler Bauten, wobei die Musik das Feld meines Vaters war, und mein Großvater hegte eine große Leidenschaft für alte Kirchen. Wir unternahmen auch viele Ausflüge zu alten Kirchen, zu den großen Domen, zu Kirchen- und Klosterruinen, und ich lernte den Unterschied zwischen Romanik und Gotik, noch ehe ich in der Lage dazu war, Rad zu fahren.
Andererseits hatte meine Familie, zumindest väterlicherseits, feste protestantische Wurzeln. Die Vorfahren meines Vaters waren nahezu alle Lehrer oder Pastoren. Die Familie meiner Mutter war ebenfalls protestatisch - mit Ausnahme meines Großvaters, der katholisch war. (Dazu gibt es eine Geschichte, die ich an anderer Stelle erzählen werde.)
Soviel zu den Hintergründen.
Meine Schwester allerdings ist nicht christlich gesinnt, obwohl sie - als Künstlerin ist das unvermeidlich - ein sehr spiritueller Mensch ist.

Als ich dann zu studieren begann, trat mein Glaube in den Hintergrund. Er blieb immer da, aber er verlor die Dominanz, die ihm zuvor inne gewesen war.
Zugleich begannen für mich schwere Jahre, in denen ich einen großen Teil meiner Familie verlor. Es geschah in dieser Zeit, daß ich eine Freundin besuchte, die für ein Semester in Canterbury studierte. Natürlich besucht man, wenn man in Canterbury ist, auch die große Kathedrale. An einem Samtagabend war ich angekommen, und meine Schulfreundin hatte sich gleich zum Auftakt für mich ausgedacht, mit mir am Sonntag zum Gottesdienst zu gehen. Das Erlebnis war überwältigend . Es war nicht nur dieser prachtvolle Kirchenbau, der mich in seinen Bann zog, es war nicht nur die Predigt, die vom Erzbischof von Canterbury höchstselbst gehalten wurde, es war auch nicht nur die Schönheit des Gottesdienstes - es waren die Tiefe und das Alter dieses Ortes. Ja, der Geist, der in Canterbury herrschte, ging auf mich über, und ich besuchte in der Zeit, die ich in dieser schönen Stadt verbrachte, regelmäßig die Kathedrale - nicht nur zu den Gottesdiensten.
Die Kathedrale von Canterbury ist ein sehr kraftvoller Platz. Seit vielen Jahrtausenden haben Menschen dort zu ihren Göttern gebetet, und auch ich fühlte dort die Nähe Gottes so stark, wie ich sie nie zuvor empfunden hatte.
So wurde mir klar, daß ich den Glauben in mein Leben zurückkehren lassen mußte.

Als ich wieder zu Hause in Thüringen war, begann ich, jeden Sonntag zur Kirche zu gehen, doch ich will ehrlich sein. Ich habe es kein Jahr lang ausgehalten.
Es hatte sich viel verändert seit den Tagen meiner Kindheit.
Für den Weg zur Kirche hin und zurück brauchte ich eine halbe Stunde, und genauso lang dauerte auch der Gottesdienst. Wenn es denn ein Gottesdienst war. Es herrschte in der Gemeinde der unsägliche Brauch, Familiengottesdienste abzuhalten, deren Ziel es offensichtlich war, Kinder zu bespaßen, die nicht still sitzen konnten.
Jedenfalls fand ich da nicht, was ich suchte: innere Einkehr, Stille, Zwiesprache mit Gott, Meditation.
Also blieb ich zu Hause und lebte meinen Glauben für mich allein.

In dieser Zeit überredete mich eine Freundin dazu, einen Meditationskurs an der Volkshochschule von Jena zu besuchen. Dabei machte sie mich mit ihrer Meditationslehrerin bekannt, und für mich begann eine Zeit der intensiven buddhistischen Praxis und Theorie. Dadurch ist mir viel Gutes wiederfahren. Ich wurde meiner Prüfungsangst Herrin, und ich begann zu lernen, mit Trauer und Verlust umzugehen. (Das lerne ich übringens noch immer.)
Ich erfuhr auch die Weisheit, daß man manchmal einige Schritte zurück machen muß, um seinen Weg zu erkenne.
Denn nun wurde mir eines bewußt: Wenn ich wirklich einen spirituelle Heimat finden wollte, dann war das nur möglich innerhalb der christlich-abendländischen Kultur.

Aber die Zeiten waren nicht leicht für mich und forderten ihren Tribut. Ich brauchte einen Urlaub, und ich hatte die Idee, diesen Urlaub in einem Kloster zu verbringen. Ich suchte eine ganze Weile, bis ich das Kloster Sankt Marien zu Helfta (bei Eisleben) fand.
So kam es also: Ich, die eingefleischte Protestantin, reisete geradewegs in das Herz des kalten Lutherlandes in ein katholisches Zisterziensierinnenkloster, und als ich nach Hause zurück kehrte, war ich fest entschlossen, zum katholischen Glauben überzutreten.
Ich hatte eine wundervolle Zeit in Helfta. Ich ließ meinen Tagesablauf von den Gottesdiensten und Stundengebeten der Ordensschwestern bestimmen, und die sprituelle Leere, unter der ich so gelitten hatte, füllte sich mit der Mystik und der Gottesliebe, welche an diesem Ort so sehr lebendig waren.
(Auch darüber werde ich zu einem anderen Zeitpunkt mehr berichten.)

Wieder zurück in meiner Heimatstadt, nahm ich sofort Kontakt auf mit dem Pfarrer der Katholischen Gemeinde, dem mittlerweile verstorbenem Pfarrer Rudolf, und schon eine Woche später begann mein Unterricht.
So ist das. Wenn man zum Katholischen Glauben übertreten will, muß man ein Jahr lang regelmäßig zum Konvertitenunterricht gehen, und für mich war das eine sehr wertvolle und kostbare Erfahrung. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit und mit dem Pfarrer viele interessante und spirituelle Gespräche gehabt.
Aber ebenso wichtig waren für mich die Begnungen mit den anderen Gemeindemitgliedern. Ich lernte viele interessante Menschen kennen, und ich konnte viel von ihnen lernen. Vieles hat sich dadurch in mir verändert, viele Ansichten haben sich relativiert.
Allmählich begann ich Dinge zu verstehen, die mir vorher unverständlich waren.
So begriff ich, warum das protestantische Abendmahl und die katholische Feier der Eucharistie nicht miteinander vermischt werden dürfen, und warum in der Nachfolge Christi katholische Priester eine andere Stellung haben als evangelische.
Wie gesagt: Durch meinen Großvater war mir der Katholizismus nicht fremd, und ich habe ohnehin nie verstanden, warum die Evangelische Kirche die Heilige Jungfrau Maria, die schließlich die Mutter Gottes ist, nicht ihrer Stellung gemäß würdigt.

Das Jahr ging vorrüber. Ich legte meine Erstbeichte ab, und an einem Tag - es war der 1. Advent - erlebte ich meinen Kirchenübertritt, meine Erstkommunion und meine Firmung. Es war ein schöner Tag. Schön war auch, daß mich meine Freunde und meine Familie dabei begleiteten.

Ja, jetzt bin ich angekommen.
Ich bin Katholikin in einer Zeit, in der das ein sehr kontroverses Bekenntnis ist.
Aber es erfüllt mich mit Freude, einer streitbaren Kirche anzugehören, die wie ein Fels ist im Strom der Zeit.
Und wenn man mich in Bedrängnis bringen will, dann erwacht in mir das Gefühl meiner Kindheit. Das gehört dann eben dazu.

Ich bin angekommen, und ich bin noch immer auf dem Weg.
Glaube ist auch eine nicht enden wollende Suche nach dem Glauben.
Und das ist doch irgendwie ein guter Schlußsatz.

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