Mittwoch, 17. Februar 2010

Politischer Aschermittwoch in Deutschland 2010

Heute war es mal wieder soweit. Zum politischen Aschermittwoch gaben sich die Großen aller Parteien die Ehre und hielten in den trauten Kreisen ihrer Gesinnungsnossen große Reden.

Auch Guido Westerwelle war dabei. Außenminister und Vizekanzler verpflichtet eben, und ganz stolz verkündete er, daß er nur auf dem Parkett der Außenpolitik zur Diplomatie verpflichtet sei. Hier im Lande könne er die Wahrheit sagen - grob und klartextmäßig wie am besten Stammtisch.

Aber wir sollten uns in Acht nehmen vor solchen Leuten, die meinen, sie dürften andere Menschen geruhsam verunglimpfen, beleidigen und diffamieren, wenn es um die Wahrheit ginge. Eine solche Wahrheit ist erfahrungsgemäß nicht viel wert, und dem gesunden Menschenverstand ist ohnehin klar, wie es um dem Wahrheitsgehalt von Herrn Westerwelles Schimpfreden auf Sozialstaat und Hartz-IV bestellt ist. Da bleibt nämlich nicht viel übrig.

Herr Westerwelle verkündete mit großen Worten, er gehöre einer christlich-liberalen und nicht einer sozial-liberalen Koalition an. Was das heißen soll, weiß er vielleicht selbst nicht. Man braucht nur mal im Neuen Testament nachzulesen. Dort findet sich nichts darüber, daß man die Armen diffamieren und gegen einander aufhetzen soll. Vielmehr steht dort, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr kommt, als ein Reicher ins Himmelreich. Soviel zur christlichen Soziallehre.

Obendrein ist Christus für die Wahrheit gestorben, wie in den Evangelien nachzulesen. Christus schwieg, als Pilatus ihn fragte: "Was ist Wahrheit?" Herr Westerwelle hätte dem Stadthalter von Judäa wohl nur in drastischen Worten seine altrömische Dekadenz vorgeworfen.

Herr Westerwelle macht keinen Schritt zurück. Angriff sieht er als beste Verteidigung, und er macht so weiter, wie er nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Hartz-IV-Sätze als verfassungswidrig, als willkürlich festgesetzt und als gegen die Menschenwürde verstoßend bewertet hatte. Und er weiß auch, daß die Botschaft ankommt - an den Stammtischen in NRW und im Rest der Republik.

Sigmar Gabriel bemerkte sehr klug bei seiner Aschermittwochrede, daß das Ziel, das Westerwelle und Co. mit ihren Reden verfolgen, ganz klar darin liegt, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu demotivieren und von der Wahl fernzuhalten, damit langfristig nur noch ihre Klientel zur Wahl gehen und ihre Stimmen abgeben. Das stimmt. Denn die Untersuchungen zeigen, daß es gerade die armen Bevölkerungsschichten sind, die nicht zur Wahl gehen.

Aber nötig ist diese Mühe nicht. Durch ein ausgefeiltes System von Klientelpolitikl Lobbyismus und externes Beratertum ist das ganze System der repräsentativen Demokratie ohnehin schon unterminiert und existiert nur noch auf dem Papier. Das letzte, was Politiker interessiert, ist der Wählerwille.

Für Sarah Wagenknecht war Westerwellles Vizezanler- und Außenministerschaft der Beweis dafür, daß es keinen Gott gäbe, denn viele Stoßgebete zum Himmel, dieser Mann möge nie in Regierungsverantwortung geraten, sind ungehört geblieben. Das ist eine recht witzige Bemerkung, aber leider verbirgt sich dahinter eine bittere Wahrheit.

Dieser Mann, der in sich in so unverschämter, bornierter und dreister Weise über den Sozoialstaat und seine Errungenschaften hermacht, der die Armen aufhetzen will gegen die noch Ärmeren und der mit seiner Rede nichts als Unfrieden stiften will mit dem Ziel, eine Landtagswahl zu gewinnen, ist tatsächlich der Vizekanzler unseres Landes. Und während Frau Merkel noch zumindest versucht, die Kanzlerin aller Deutschen zu sein, zeigt Herr Westerwelle sehr deutlich, wessen Vizekanzler er ist. Und zu diesen Menschen zählen Bezieher von ALG-II offenbar nicht.

Aber die Sache ist die: Wir haben diesen Mann gewählt.

Jean Jacques Rousseau schreibt in seinem "Gesellschaftsvertrag", der übrigens Pflichtlektüre für jeden Staatsbürger sein sollte: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.

Haben wir ihn also verdient, diesen Herrn Westerwelle, der sich die Diplomatie für die Außenpolitik aufhebt und im eigenen Land den Volkston pflegt. Wir haben die Wahl, ihm nicht zuzuhören, seinen Worten keine Macht zu geben und seine sogenannten Wahrheiten als das zu entlarven, das sie sind - billige, volkstönende Stammtischparolen.

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