Ich bedauere es sehr, daß sie als Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende zurückgetreten sind. Sicher haben Sie die Entscheidung getroffen, die Ihrem Gewissen entspricht, mit der Sie am besten leben können, und das respektiere ich. Zumal Sie mit dieser Tat sehr viel Anstand und Charakter gezeigt haben, und so mancher unserer "Amtsträger" in diesem Lande könnte sich daran ein Beispiel nehmen.
Ich möchte auch sagen, daß ich Sie in diesen Positionen vermissen werde. Sie haben Ihre Ämter immer auf besondere Weise mit Leben und Inhalt gefüllt. Sie waren, ja, Sie sind eine von jenen, die nicht nur nach Amt und Würden um deren selbst willen gestrebt haben. Nein, Sie haben sich engagiert, um etwas zu bewegen, um Veränderung zu bringen und vielleicht sogar, um die Welt ein wenig besser zu machen. Dabei haben Sie immer Ihr Herz auf der Zunge getragen, was Ihnen so manche Kritik beingebracht und Sie in so manches Fettnäpfen hat treten lassen. Trotzdem sind Sie unbeirrt weitergegangen durch die Höhen und Tiefen des Lebens, das Ihnen viel Licht geschenkt, aber auch viele Lasten auferlegt hat.
Durch Ihren Mut in Ihrem Amt wie in Ihrem Leben waren Sie für viele ein Vorbild - auch für mich, obwohl ich Ihnen oftmals eher kritisch gegenüber stand. Aber für mich ist lebendiger Dissenz höher zu bewerten als lebloser, monotoner Konsenz.
Gerade durch Ihre Haltung, die vielen auch unbequem war, haben Sie die Dinge vorangetrieben. Sie waren ein Wetzstein für kritische Geister unter den Christen beiderlei Ausrichtungen.
Sie waren eine Stimme, die gehört wurde.
Ich kann und will nicht glauben, daß dies nun alles vorüber sein soll.
Ich habe relativ spät erfahren, was sich zugetragen hat. Sie sind mit 1,54 Promille Alkohol im Blut in eine Polizeikontrolle geraten, nachdem Sie über eine rote Ampel gefahren waren.
Es versteht sich wohl von selbst, daß dies kein Kavaliersdelikt ist, vor allem, wenn man bedenkt, zu wieviel schweren und tödlichen Unfällen Alkohol im Straßenverkehr führt, und wie viele Menschen deswegen immer wieder schuldlos zu Schaden oder zu Tode kommen. Es gibt an dieser Tat nichts zu beschönigen.
Aber es gibt auch nichts zu verdammen.
Wenn man eine solche Tat begeht, Reue zeigt, die Verantwortung übernimmt und die Strafe dafür trägt, ist die Schuld abgeglichen.
Ich gebe zu, ich war höchst konsterniert, als ich erfuhr, was sich zugetragen hatte, und ich gebe auch zu, daß mir der eine oder andere spöttische Gedanke gekommen ist. Ich bedauere dies, aber es ist nun einmal so, wie der Volksmund sagt: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Dann ist es wieder so: Wer von uns ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Sie sagen, Sie fürchten, daß nun, nach dieser aktenkundlich gewordenen Trunkenheitsfahrt, ihre moralische Integrität geschädigt sei.
Aber das ist nicht wahr.
Menschen machen Fehler. Aber trotzdem bleiben sie die, die sie sind.
Mag sein, daß es den einen oder anderen nun geben mag, der Ihnen nun mit Geringschätzung begegnet. Aber was macht das schon? Das ändert nicht den Menschen, der sie sind.
In einem seiner Bücher schreibt der Dalai Lama sinngemäß: Auch wenn die Tibeter ihn Ozean der Weisheit und die Chinesen den Wolf in Orange nennen, bleibt er doch nur ein einfacher Mensch.
So ist es mit uns allen. Wir sind nicht das, was die anderen von uns halten. Wir sind das, was wir selbst von uns halten.
Ihr Rücktritt, liebe Frau Käßmann, hat mich traurig gemacht, weil Sie damit ein Zeichen gesetzt haben, das nicht nur positiv ist.
Sicher bekommen Sie viel Lob für Ihr Rückgrat, für Ihre moralische Integrität.
Aber das Problem liegt tiefer: Die moralisch integren Menschen ergreifen die Verantwortung für ihr Verhalten, die moralisch verdorbenen Menschen tun es nicht. Deshalb treten die ehrenhaften Menschen zurück, und die anderen bleiben auf ihren Posten. Sie bleiben Ministerpräsidenten, Bundeskanzler, Außenminister. Sie übernehmen keine Verantwortung. Sie sitzen die Vorwürfe aus, sie bleiben - und sie sind es, die uns beherrschen.
So ist es.
Wir werden von seelisch und moralisch verdorbenen Menschen beherrscht, weil die guten Menschen sich zu leicht vertreiben lassen.
Aber es gibt doch einen anderen Weg.
Man muß doch für seine Fehler und Sünden einstehen können, ohne gleich der Welt und den Menschen den Rücken zu kehren.
Es gibt diesen Weg.
Es ist der Weg der Reue, der Buße und der Vergebung, die von Gott kommt.
Und es ist auch klar, daß nun die Medienwelt ihren Kübel Häme über Ihnen vergießen wird. Aber das können Sie nicht verhindern. Da müssen Sie durch. Denken Sie daran, wie unser Heiland verspotttet und gegeiselt wurde, und wie er es ertrug.
Christus starb am Kreuz, um uns von unseren Sünden zu befreien.
Aber dieses Geschenk Gottes müssen wir auch annehmen.
Was soll ich zum Schluß sagen?
Ich achte Ihre Entscheidung und bedauere Ihren Rücktritt. Ich hoffe, Sie bleiben uns erhalten als wache und mahnende Stimme im Sturm dieser Welt.
Bitte, fassen Sie meine Worte nicht als Anmaßung aus. Ich spreche als Christin zu Ihnen.
Wir brauchen gute, integre Menschen, die uns den Weg zeigen.
Bitte, bleiben Sie einer davon.
Hochachtungsvoll,
Ilka Lohmann
auch wenn ich nicht alles ganz so sehe wie du, was du geschrieben hast, ist der Tenor deines Briefes meinem sehr ähnlich: Sie wird uns fehlen !!!!! Du hast es sehr gut und deutlich zum Ausdruck gebracht.. DANK dafür Ursa
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